Anno 912 wurde unser alter deutscher Kaiser Otto der Große geboren. Dessen Sieg über die Ungarn auf dem Lechfeld Anno 955 hoffentlich ebenso wenig vergessen sind wie seine Taten im heutigen Mitteldeutschland oder seine Züge nach Italien, wo er Anno 962 die römische Kaiserwürde erneuerte. Die Nornen bescheren aber auch großen und gerechten Männern, wie unser Otto der Große einer war, so manchen bitteren und tragischen Streit. Einen solchen Strauß hatte Otto der Große in den ersten Jahren seiner Herrschaft mit seinem älteren Halbbruder Thankmar auszufechten. Sein Vater Heinrich der Vogler hatte nämlich einstmals Thankmars Mutter Hatheburg ins Kloster zurückgeschickt, um Ottos Mutter Mathilde zu heiraten, dabei aber deren Güter einbehalten. Daher verband sich Thankmar mit den Feinden Ottos des Großen und fand im Kampf mit seinem Halbbruder den Tod – wovon uns nun Widukind von Corvey in seiner berühmten Sachsengeschichte berichtet:
„Es verband sich aber auch Thankmar mit Eberhard, brachte eine starke Schar zusammen, und belagerte damit die Burg, welche Badiliki heißt, in welcher sich der jüngere Heinrich befand; und nachdem er die Stadt seinen Genossen zur Plünderung preisgegeben, zog er ab und führte Heinrich wie einen gemeinen Knecht mit sich hinweg. Hier aber wurde Eberhard, der Sohn Udos, des Bruders von Herzog Hermann, getötet, wegen dessen Tod nach Gottes Ratschluß die Häupter der Franken sich entzweiten. Mit großer Beute bereichert, machten sich also Thankmars Krieger zu jeder Tat bereit. Er nahm darauf eine Stadt, Heresburg genannt, sammelte einen starken Haufen, und setzte sich in derselben fest, viele Räubereien von da aus verübend. Eberhard aber behielt Heinrich bei sich. Um diese Zeit wurde auch Dedi vor den Toren der Stadt Larun, in welcher Mannen Eberhards waren, getötet. Als aber Wichmann, welcher zuerst vom Könige abgefallen war, von so großem Frevel der Aufrührer hörte, bekehrte er sich und schloß Frieden mit dem Könige, weil er sehr klug war, und blieb bis an sein Ende treu und dienstbar. Thankmar aber, ein Sohn König Heinrichs, geboren von einer Mutter edlen Stammes, war stets fertig zum Kampf, kriegskundig, lebhaften Geistes, aber in dem Kriegerleben nahm er wenig Rücksicht auf die Gebote ehrbarer Sittsamkeit. Da aber seine Mutter ein großes Besitztum hatte, fühlte er sich, obgleich durch seinen Vater mit andern Gütern reich ausgestattet, schwer gekränkt durch den Verlust seines mütterlichen Erbes und ergriff aus diesem Grunde zu seinem und der Seinen Verderben die Waffen gegen seinen Herrn, den König. Der König aber zog, da er diese Angelegenheit zu so großer Gefahr anwachsen sah, obwohl mit Widerstreben, um Thankmars Übermut zu bändigen, mit zahlreichem Gefolge vor die Heresburg. Als aber die Bürger dieser Stadt erkannten, daß der König mit starker Macht über sie herangekommen, öffneten sie die Tore und ließen das Heer ein, welches die Stadt umlagert hatte, Thankmar aber floh in die Kirche, welche von Papst Leo dem heiligen Apostel Petrus geweiht war, allein das Heer verfolgte ihn bis in die Kirche, und namentlich die Mannen Heinrichs, aus Schmerz und Begierde, die Schmach ihres Herrn Heinrich zu rächen; sie scheuten sich nicht, mit Gewalt die Türen einzuschlagen, und drangen mit den Waffen in das Heiligtum. Thankmar aber stand eben dein Altare und hatte die Waffen samt der goldenen Kette auf demselben niedergelegt. Da er aber von vorn mit Geschossen bedrängt wurde, schlug ihm ein gewisser Thiadbold, ein Bastard Cobbos, unter Schmähungen eine Wunde, die er aber sogleich von ihm zurück erhielt, so daß er bald darauf in schrecklicher Raserei den Geist aufgab. Aber einer der Ritter, Maincia mit Namen, durchbohrte den Thankmar von hinten mit einem Speere durch ein an den Altar stoßendes Fenster und tötete ihn so an heiliger Stätte. Er selbst aber, der Anstifter des Bruderzwistes, verlor später in der Schlacht bei Birten sein Leben samt dem frevelhaft vom Altar geraubten Golde auf jämmerliche Weise. Als der König, welcher nicht zugegen war, und von diesen Vorfällen Nichts wußte, davon gehört hatte, zürnte er ob des Frevels seiner Vasallen, doch durfte er, während der Bürgerkrieg noch loderte, nicht mit Strenge gegen dieselben verfahren. Er beklagte aber seines Bruders Schicksal und zeigte seines Gemütes Milde, indem er Thankmars kriegerischer Tüchtigkeit lobend gedachte; den Thiadrich aber und drei Söhne von dessen Tante, welche mit Thankmar Gemeinschaft gemacht hatten, ließ er nach dem Gesetze der Franken zum Stricke verdammen und hinrichten. Von da lenkte er sein kampflustiges und durch die Beute der Stadt bereichertes Heer gegen Larun; hier aber widerstand man unter Leitung des Burggrafen hartnäckig, und hörte nicht auf. Steine mit Steinen, Geschosse mit Geschossen zu erwidern. Aber des Kampfes müde, forderten sie, den Herzog zu befragen, eine Waffenruhe. Als man ihnen diese zugestanden, ward ihnen Unterstützung vom Herzog verweigert. Deshalb zogen sie aus der Stadt und ergaben sich in die Gewalt des Königs. In diesem Kampfe erwarb sich Tamma, der Schenk, schon durch viele andere wackere Taten längst bekannt, hohen Ruhm. Als aber Eberhard von dem Tode Thankmars und dem Abfalle seiner Mannen hörte, brach ihm der Mut, er warf sich seinem Gefangenen zu Füßen, bat um Gnade und erhielt sie durch einen schändlichen Vertrag. Heinrich nämlich war um diese Zeit noch sehr jung und von heißem Blute; und so verzieh er ihm verlockt von allzu heftiger Herrschsucht, sein Verbrechen unter der Bedingung, daß er mit ihm eine Verschwörung gegen den König, seinen Herrn und Bruder schlösse, und ihm, wenn es möglich wäre, die Krone des Reichs aufsetzte. Und so ward denn der Vertrag von beiden Seiten eingegangen. Darauf kehrte Heinrich frei zum Könige zurück und ward von diesem mit mehr aufrichtiger Treue und Liebe aufgenommen, als er mitbrachte. Auch Eberhard ging auf Zureden Friedrichs, des Nachfolgers von Erzbischof Hildibert, eines trefflichen und durch unausgesetzte Andachtsübungen bewährten Mannes, zum Könige, bat demütig um Verzeihung, und stellte sich und alles das Seine dessen Willen anheim. Demnach wurde er, damit so ungeheurer Frevel nicht ungerügt bliebe, als Verbannter in die Stadt Hildesheim gesandt. Doch nicht lange Zeit darauf ward er huldreich wieder zu Gnaden aufgenommen, und in seine frühere Würde wieder eingesetzt…“
Weiter sind wir bei unserem Geschichtsforscher Friedrich Kohlrausch in den „Bildnissen der deutschen Könige und Kaiser“ mit dem Abriß der Regierung unseres Liudolfingers. Otto der Große verzeiht seinem rebellischen Sohn Ludolf und begnadigt auch dessen Anhänger: https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10016311_00005.html
„Das Jahr 954 nämlich begann mit einem Raubeinfalle der Ungarn in Bayern. Ludolf und Konrad benahmen sich bei dieser Gelegenheit mindestens zweideutig Anstatt sich durch die Gefahr des Vaterlandes zur Besinnung bringen zu lassen und sich mit dem Könige gegen den Erbfeind zu verbinden, schlossen sie Verträge mit den Ungarn; Ludolf führte ihre Scharen nach Franken, Konrad später nach Lothringen, in die Länder ihrer Gegner, besonders die des Erzbischofs Bruno, wo sie die schauerlichsten Verwüstungen anrichteten und dann, mit Beute beladen, durch Frankreich und Italien zurückkehrten. Ein solches Benehmen zog beiden Fürsten den Verdacht zu, sie selbst hätten die Feinde nach Deutschland gerufen. Beide haben es jedoch später standhaft geleugnet, und wir wollen zu ihrer Ehre glauben, daß ihr Wort wahr gewesen sei. Die Bayern, durch den langwierigen Krieg und die Ungarn – Gefahr ermüdet, verlangten Frieden; Otto bewilligte einen Waffenstillstand und berief auf den 4. Juni 954 einen Reichstag nach Zenn (bei Nürnberg). Hier klagte er bitter über den Haß seiner nächsten Verwandten, daß er wie ein verwaiseter Vater dastehe, daß sein Sohn, den er am meisten geliebt habe, sein erbitterter Feind sei, verleitet durch seinen Eidam Konrad, den er selbst zu Macht und Ehren emporgehoben habe. Aber noch bitterer klagte er über ihre Verbindung mit den Feinden des christlichen Namens. – Als der König schwieg, fuhr Herzog Heinrich fort und sprach geradezu die Beschuldigung aus, Ludolf und Konrad hätten die Ungarn boshafter weise gedungen. Das leugnete jedoch Ludolf auf das Bestimmteste, und warf die Beschuldigung vielmehr auf Heinrich zurück. Die Ungarn seien gegen ihn gedungen, sprach er, er aber habe sie durch Geschenke bewogen, ihn und sein Land – nicht zu verletzen. Zuletzt trat der Erzbischof Friedrich von Mainz auf und versicherte, er habe nie etwas Feindseliges gegen den König im Sinne gehabt, nur weil er bei demselben verleumdet worden, sei er von dem Könige abgefallen. Gern wolle er mit dem höchsten Eide seine künftige Treue beschwören. – Otto wollte Frieden; er nahm den Eid des Erzbischofs an, daß er fortan Frieden und Eintracht aus allen Kräften befördern wolle. Auch Herzog Konrad, in welchem in dieser Zeit eine ernstliche Sinnesänderung vorgegangen zu sein scheint, demütigte sich vor Otto und wurde zu Gnaden angenommen. Sein Herzogtum konnte er zwar nicht wieder erhalten; Otto hatte es ihm bereits abgesprochen und seinem Bruder Bruno zur Verwaltung übergeben; aber seine reichen Erbgüter am Rheine behielt er. – Friedrich und Konrad bemühten sich auch, den starren Sinn Ludolfs zur Unterwerfung unter den Vater zu beugen, allein vergebens. Die Waffen mußten noch einmal gegen den Sohn gewendet werden, der in der Nacht nach der Versöhnung des Vaters mit Friedrich und Konrad nach Regensburg ausgebrochen war. Hier wird er von Otto mit aller Macht belagert; sogar der tapfere Markgraf Gero muß aus Sachsen herbeikommen. Die Belagerten machen einen Ausfall mit Reiterei und zugleich mit Fußvolk in Schiffen auf der Donau; sie werden zurückgeschlagen. Ludolf macht einen neuen, noch stärkeren, Ausfall gegen Gero. Es sind Heldenkämpfe, die hier geschlagen werden; von der dritten bis zur neunten Stunde dauert der Kampf; aber Ludolf muß mit den Seinigen in die durch Hunger schon hart bedrängte Stadt zurück. Pfalzgraf Arnulf, der es treu mit Ludolf gehalten, wird vermißt; erst nach zwei Tagen findet ihn ein Weib, die der Hunger aus der Stadt getrieben, aus dem Schlachtfelde, von Geschossen durchbohrt und der Waffen beraubt. Da endlich bricht Ludolfs Mut und er verspricht Unterwerfung; durch Vermittlung der Fürsten erhält er einen Waffenstillstand bis zum nächsten Reichs tage, aus welchem seine Sache entschieden werden soll. – Otto kehrte daraus nach Sachsen zurück. Als er nach einiger Zeit bei Suveld, (vielleicht Sonnenfeld), in Thüringen auf der Jagd war, warf sich unerwartet Ludolf, als ein Flehender, mit entblößten Füßen, von Reue erfüllt, weinend vor ihm nieder und erweichte das Herz des Vaters, wie Aller, die ihn sahen. Otto nahm ihn in seine Gnade wieder auf, und der Sohn versprach, sich in alle Anordnungen des Vaters, wie sie auch seien, zu fügen. Diese Anordnungen wurden bald daraus im Dezember 954 auf dem Reichstage zu Arnstadt in Thüringen getroffen. Ludolf bekam sein Herzogtum Schwaben nicht wieder; es wurde Burchard, einem einheimischen Grafen, aber Schwiegersohn Heinrichs von Bayern, gegeben und Heinrich wurde wieder der einflußreichste Fürst im südlichen Deutschland. In sein Herzogtum Bayern hatte ihn Otto natürlich wieder eingesetzt; aber leider befleckte er seine wiederhergestellte Herrschaft mit Grausamkeiten gegen seine bisherigen Feinde. Doch nicht lange sollte er seinen Triumph genießen; er starb schon im folgenden Jahre…“