Franz Schubert

Anno 1797 wurde unser alter deutscher Tondichter in Himmelpfortgrund (einer Ortschaft bei Wien) geboren und das muß natürlich gefeiert werden. Immerhin hat uns Schubert um die 600 Tondichtungen hinterlassen. Musik muß man aber hören und daher spielt unser alter Meister uns nun seine Sechste Symphonie vor: https://www.youtube.com/watch?v=AAswKcERSro Das Leben und Schaffen unseres Schuberts gibt es bei unserem Musikgelehrten Heinrich Kreissle von Hellborn nachzulesen: http://www.zeno.org/Musik/M/Kreissle+von+Hellborn,+Heinrich/Franz+Schubert

„Alle diese in rascher Aufeinanderfolge entstandenen Singspiele sind in erster Linie als Versuche Schuberts anzusehen, sich die dramatisch-musikalischen Formen in kleinerem Rahmen durch Selbstschaffen eigen zu machen. Nebstdem unterliegt es keinem Zweifel, daß der Drang, Opernmusik zu schreiben, welchen wir bei so vielen großen Meistern schon in frühester Zeit erwachen sehen, auch bei Schubert unwiderstehlich zum Durchbruch gekommen ist, der freilich einem derartigen Verlangen nach seiner Weise durch Massenproduktion Genüge zu leisten wußte. Der musikalische Gehalt dieser Operetten reiht sich wohl nicht dem Bedeutenderen an, was Schubert überhaupt geschaffen, auch würden dieselben, als Theaterstücke gesehen, von der Bühne herab der jetzigen Geschmacksweise wahrscheinlich nicht mehr zusagen, zumal wenn man die Naivität einiger der benützten Textbücher in Betracht zieht; andererseits aber wäre es ein Irrtum, wollte man glauben, daß in diesen Erstlingen der dramatischen Muse Schuberts nur die Schülerhaftigkeit eines – allerdings hochbegabten – Anfängers zu Tage trete; denn der in Melodien unerschöpfliche, mit den Gesetzen der Harmonie und der Kunst der Instrumentierung vollkommen vertraute Tondichter, welcher um jene Zeit schon mehrere seiner schönsten Lieder geschrieben und das Zeug in sich hatte, ein Werk, wie es die G-Messe ist, zu schaffen, bewegt sich auch in diesen dramatisch-musikalischen Arbeiten mit einer Leichtigkeit und Sicherheit in der Behandlung des vokalen und instrumentalen Teiles, daß da von schülerhaften Versuchen nicht die Rede sein kann. Eine Aufführung des musikalischen Teiles der Operetten im kleinen Konzertraum würde manch‘ reizendes Stück zu Tage fördern. Die Lust Opern zu schreiben hat übrigens Schubert nie verlassen. Es trat wohl hie und da eine längere Pause ein, im Ganzen genommen ist aber seine Tätigkeit auf diesem Felde eine überraschend fruchtbare, und trotzdem, daß in späterer Zeit die Ungunst der Theaterverhältnisse seinen zwei größeren Bühnenwerken die ihnen gewissermaßen schon zugesicherte Aufnahme in das Repertoir verwehrte, sehen wir doch den Unermüdlichen noch am Ende seiner Tage abermals mit dem Gedanken an eine neue Oper beschäftigt. Was von Schuberts dramatisch-musikalischen Arbeiten während seiner Lebzeiten auf der Bühne zur Aufführung gelangte, gehört ausschließlich dem Melodram und der musikalischen Posse an. Auch das Jahr 1816 repräsentiert in Franz Schuberts kurzem Erdenwallen eine Zeit rastlosen, durch keinen wichtigen Zwischenfall unterbrochenenen Schaffens, nur daß hier neben der immer mehr anschwellenden Liedermasse an Stelle der Oper (welche nur durch ein Bruchstück vertreten ist) die Cantate, und zwar in der Gestalt dreier „Gelegenheitskompositionen“, in den Vordergrund tritt, von welchen der auf einen poetischen Text in Musik gesetzte „Prometheus“ über die beiden anderen wenig bedeutenden entschieden hinausragt. Der Zeitfolge nach ist unter den Cantaten jene als die erste vorzuführen, welche Schubert anläßlich des Jubiläumsfestes des Hofkapellmeisters Salieri selbstdichtend in harmlose Reime brachte und ebenso anspruchslos mit Tönen umkleidete. Am 16. Juni 1816 beging Antonio Salieri den fünfzigsten Jahrestag seines Eintrittes in den kaiserlichen Dienst. Dem bevorstehenden Jubelfest hatten er und seine Familie schon lange mit Freuden entgegengesehen und beschlossen, es mit einer angemessenen Feier zu begehen; diese jedoch auf eine den Verdiensten des Jubilars entsprechende Weise zu erhöhen, war sein Monarch selbst bedacht. Am frühen Morgen des 16. Juni, desselben Tages, an welchem Kaiser Franz von seiner Reise nach Italien (zunächst von dem Schloß Bösenbeug) nach Schönbrunn zurückkehrte, begab sich Salieri, eingedenk des ersten Ganges, welchen er am 16. Juni 1766 mit seinem (mittlerweile verstorbenen) Meister Gaßmann durch die Straßen der Residenz gemacht hatte, begleitet von seinen vier Töchtern, zu einem Dankgebet in die italienische Kirche. Um zehn Uhr Vormittags fand sich vor seinem Haus (in der Spiegelgasse Nr. 11) ein Hofwagen ein, der ihn in das Hôtel des Obersthofmeisters Fürsten zu Trauttmannsdorf-Weinsberg führte. Dieser erschien mit dem Hofmusikgrafen von Kufstein im Vorsaal und führte Salieri in ein zur Feierlichkeit bestimmtes Gemach, wo ihm nach kurzer Ansprache in Gegenwart des im Kreise aufgestellten Hofmusik-Personales die große goldene Civil-Ehren-Medaille mit Kette umgehängt wurde. Salieri dankte für die ihm zu Teil gewordene Auszeichnung und den versammelten Künstlern für ihren Eifer, und nachdem er huldvoll entlassen worden, fuhr er, da eben Sonntag war, in die Hofkapelle, um dort seinen gewöhnlichen Dienst zu versehen und die Musik des Hochamtes (diesmal eine seiner Messen) zu leiten…“

Wilhelm Furtwängler

Anno 1886 wurde unser großer deutscher Kapellmeister und Tondichter Wilhelm Furtwängler in Schöneberg geboren und wer schon einmal ein Konzert des fremdländischen Gecken Barren-Baums ertragen mußte, der weiß wie wichtig ein guter Kapellmeister ist. Ohne einen solchen kommen die Tondichtungen unserer alten Meister nicht zu ihrer vollen Entfaltung. Damit die Leute nun nicht denken, unser Furtwängler hätte nur den Beethoven aufgeführt, hier nun eine kleine Leckerei von Händel: https://www.youtube.com/watch?v=pwrnhCPaJuQ Aus der Aufsatzsammlung „Ton und Wort“ lasse ich unseren Furtwängler dazu ein paar Worte zur Tonkunst Beethovens und Wagners sprechen:

„Hierzu gehört freilich von seiten des Interpreten unerbittlicher Wille zur Klarheit, eiserne Selbstzucht, um so mehr, als die sich mit grenzenlosester Wärme und Hingabe verbinden muß. Alles heute so beliebte persönliche „Temperament“ versagt und scheitert hier ohnmächtig. Denn es kann sich nicht mit dem in sich selbst lebenden Werk identifizieren, nicht verwandeln. Der moderne Musiker solcher Art – mag er auch sonst noch so gut sein – wird Beethoven gegenüber entweder zum unwillkürlichen „Rubato-Musiker“, oder sein Stilgefühl, wie man es zu nennen pflegt, veranlaßt ihn, sich seiner lebendigen modernen Seele, seines Fühlens, seines Temperaments überhaupt zu entledigen; er wird „klassisch“. Das letztere ist noch gefährlicher und verhängnisvoller. Das hängt damit zusammen: Bei Beethoven fordern die ungeheuren Spannungen des Inhalts eine gewisse Deutlichkeit, ja Härte des formalen Aufbaues, da das Ganze sonst hemmungslos im eigenen Feuer verbrennen müßte. Wird nun der lebendig-innere Verlauf vom Darstellenden nicht jedesmal von neuem erlebt und durchgefühlt, so treten diese formalen Elemente ganz von selbst übermäßig in den Vordergrund. Es entsteht Eindruck des Allzu-Vorgeschriebenen, des Abgeleierten, die innere Freiheit, das zarte vibrierende Leben verschwindet, die Werke erscheinen „abgespielt“. Es entsteht der Eindruck, als ob die „Form“ als solche das Wichtigste wäre. Beethoven wird, mit einem Wort, zum „Klassiker“. Dieser vielgerühmte „Klassiker“ ist es, der in den Begriffen unserer Musiker, unserer Konservatorien spukt, der die meisten unserer Aufführungen beherrscht, der zwischen uns und dem echten Beethoven steht und ihn täglich von neuem umbringt! Ist es da ein Wunder, wenn ihm die Musiker gleichgültig gegenüberstehen oder sich abwenden – wenn schon die Laien seiner müde werden -, wenn der Großstadtkritiker ihm aus dem Wege geht, wo er kann – wenn alles über Beethoven-Überfütterung schreit? Am meisten wundert mich immer noch die hartnäckige Treue der Massen. Ob hier die Glut des lebendigen Kernes doch noch die dicke Rinde durchdringt? Von einem weiteren Standpunkt aus entbehrt es jedenfalls nicht der Komik, den Widerspruch zu sehen zwischen dem wilden Genie-Menschen der Literaten (für den wenige Paradewerke immer wieder als Beleg dienen müssen) und dem Beethoven des „praktischen Musikbetriebes“, dem Ladenhüter unserer Konzertprogramme, dem Feinde alles Neuen und Zukünftigen. Insbesondere dürfte es nachgerade an der Zeit sein, daß man jedenfalls begriffe, daß es sich bei Beethoven um etwas höchst Gegenwärtiges, höchst „Aktuelles handelt – nicht um eine Kunst der Vergangenheit, eine „historische“ Angelegenheit, der der moderne Mensch mehr oder weniger „stilvoll“ zu begegnen, das heißt aus dem Wege zu gehen habe. Der „Ring der Nibelungen“ ist und bleibt Wagners umstrittenstes Werk. Er errang nicht die unbeschränkte Popularität seiner Frühwerke, vermochte aber auch nicht die Musiker in demselben Maße zu gewinnen wie etwa „Tristan“ oder „Die Meistersinger“. Alle Opposition gegen Wagner wandte sich von jeher in erster Linie gegen den „Ring“. In der Tat bestehen nicht ganz leicht zu erkennende Unterschiede zwischen ihm und den übrigen Werken Wagners. Wenn wir an eines von diesen, etwa „Tristan“ oder „Die Meistersinger“ herantreten, so empfinden wir gleich von Anfang an etwas, das dem ganzen vielgestaltigen Werk eine unbeschreibliche Einheit gibt. Es ist wie eine gemeinsame Atmosphäre, die alles umgibt und alles durchdringt. Es ist wie ein geheimnisvoller Mittelpunkt der Zeugung, von dem alles ausstrahlt, alles gespeist wird. Von hier aus entsteht der einem jeden Werke und nur ihm allein eigentümliche Stil, der dann in der Musik zutage tritt und – vom Vorspiel angefangen, das den Sinn des Ganzen gleichsam in nuce enthält – bis in die letzten Takte hinein sich auswirkt. Ein solcher Mittelpunkt fehlt dem „Ring“. Nicht, daß er nicht auch seinen eigenen Stil hätte; aber Art und Charakter dieses Stiles sind anders als in den übrigen Werken. Haben wir dort von Anfang an eine bestimmte menschlich-dichterische Atmosphäre, die dem Ganzen Wesen und Farbe gibt, so baut sich hier alles erst langsam aus vielerlei Einzelheiten auf – jene Götter, Riesen, Zwerge, die Tiefe des Rheins, die Höhlen Nibelheims – die zunächst viel mehr um ihrer selbst willen da zu sein scheinen, als für die kahle Handlung, die sie dürftig verbindet. Nur ganz allmählich gewinnt das Menschliche Raum mit Siegmund und Sieglinde, um schließlich in der Idealgestalt Siegfrieds abzuschließen. Aber auch dies alles geschieht immer auf dem Hintergrunde jener Welt von Fabelwesen und Zauberdingen, die doch keinerlei Ersatz geben kann für die dichterisch erlebte Grundstimmung in den übrigen Werken, zum Beispiel die Liebes- und Todessehnsucht des Tristan, die strahlende Heiterkeit der „Meistersinger“. Jedenfalls nicht für den Musiker; denn dieser braucht eben das dichterisch Gesehene, menschlich Erlebte dieses Mittelpunktes, dieser Grundstimmung, um produktiv zu werden: gerade dies – das wird uns damit klar – ist die eigentliche Quelle seiner Kraft und Entfaltung, dies erst läßt sich von der Musik völlig durchdringen und mit ihren eigensten Mitteln zur lebendigen Wirklichkeit bringen. Währenddessen das, was man als Mittelpunkt des „Rings“ bezeichnen kann – etwa die Idee des mit dem geraubten Rheingold verbundenen tragischen Verhängnisses – eben eine Idee bleibt, nur abstrakt, gedacht, und daher der Musik nicht erfaßbar…“

Die Einnahme der gallischen Hauptstadt Paris (1871)

Anno 1871 ist die welsche Hauptstadt Paris gefallen und das muß natürlich mit unserem altdeutschen Panzergetränk Met gefeiert werden. Ein kleines Hexenwerk war die fünfmonatige Belagerung von Paris durchaus. Allein die Großstadt vollständig einzuschließen erforderte einige Mühe. Dann stand in dieser eine recht starke Besatzung, auf deren Ausfälle man immer gefaßt sein mußte. Außerhalb des Belagerungsringes sammelten sich immer mal wieder welsche Armee zum Entsatzangriff. Die Schlacht von Bapaume war ein solcher, denn damit wollten die Welschen die Belagerung von Peronne im Umland von Paris sprengen. Doch bissen sich die Welschen an unserem General von Goeben die Zähne ganz schön aus. Dazu der Schlachtbericht Moltkes des Älteren: https://archive.org/details/geschichtedesdeu00moltuoft

„General Faidherbe hatte seine Streitmacht dicht an die Stellung herangeführt, welche die Belagerung von Peronne deckte. Seine vier Divisionen zählten 57 Bataillone, denen nur 17 deutsche gegenüberstanden. Er beschloß, am 3. in vier Kolonnen auf Grevillers, Biesfillers, auf der großen Straße und östlich an Favreuil vorbei vorzudringen. Aber General von Goeben war nicht gesonnen, seine Stellung bei Bapaume aufzugeben. Unter Besetzthaltung von Favreuil versammelte General von Kummer morgens die XXX. Brigade vorwärts der Stadt, hinter derselben die XXIX., von welcher jedoch drei Bataillone in den Dorfschaften rechts und links verblieben. Eine Reserve wurde weiter rückwärts bei Transloy gebildet, wohin das VIII. Jägerbataillon mit zwei Batterien in Marsch gesetzt war, und auch General von Barnekow erhielt Befehl, ohne die Entschließung aufzugeben, drei Bataillone und die II. Fußabteilung bei Sailly-Saillisel bereit zu stellen. Endlich wurde die Abteilung des Prinzen Albrecht (Sohn), drei Bataillone, acht Eskadrons und drei Batterien, nach Bertincourt in die Nähe des Kampfplatzes herangezogen. In dieser Verteilung mußte bei strenger Kälte und trüber Witterung der Angriff der Franzosen abgewartet werden. Zeitig schon hatte General Graf von der Groeben die VII. Kavalleriebrigade gegen die rechte Flanke des Feindes vorgeschickt, sie vermochte jedoch nicht über die von seiner Infanterie besetzten Ortschaften vorzudringen. Auf dem rechten Flügel traten der Division Robin bei Beugnatre zwei Bataillone Fünfundsechziger nebst zwei aus Transloy herbeigezogenen reitenden Batterien mir so kräftigem Feuer entgegen, daß dieselbe nach Mory wieder zurückging. Auch die Besatzung von Favreuil war durch zwei Bataillone und zwei Batterien gegen die auf der großen Straße vorrückende Division Payen verstärkt worden, welche östlich des Ortes aufmarschierten. Das erste aus Sapignies hervortretende französische Geschütz wurde sofort zusammengeschlossen, aber bald entwickelten sich mehrere Batterien zu beiden Seiten, und die Franzosen drangen in Favreuil und Sankt Aubin ein. Gegen diese Orte ging mittags von Bertincourt her das Regiment Nummer XL vor, besetzte sie nach heftigem Kampfe, mußte jedoch Favreuil wieder räumen und nahm nebst dem II. Gardeulanenregiment und einer reitenden Batterie seitwärts Fremicourt eine Aufstellung, welche den rechten Flügel der Division sicherte. Auf dem linken hatte die Division Bessol die schwache Besatzung aus Biefvillers vertrieben. Das I. Bataillon des Regiments Nummer XXXIII, welches zur Wiedereroberung des Ortes vorging, geriet in ein heftiges Gefecht, verlor seine sämtlichen Offiziere bis auf drei und mußte auf Avesnes zurückgehen. Auch die Division Derroja hatte sich an diesem Kampfe beteiligt. Die Franzosen fuhren nun eine starke Artillerie auf und dehnten ihre Schützenlinie südlich bis fast an die Straße nach Albert aus. General von Kummer beschloß daher um Mittag, sich nur noch auf die örtliche Verteidigung von Bapaume zu beschränkten. Die Artillerie deckte mit Aufopferung den Abzug der Infanterie dorthin. Die zuletzt abfahrende I. schwere Batterie verlor zwei Offiziere, 17 Mann und 36 Pferde, ihre Geschütze konnten nur mit Hilfe von Infanteriemannschaften fortgeschafft werden. In Bapaume richtete sich nun die XXIX. Brigade zur hartnäckigen Verteidigung der alten Stadtumwallung ein, die XXX. sammelte sich hinter dem Orte, und die Franzosen rückten, ohne zu drängen, bis in die Vorstadt nach. Dann entstand eine längere Gefechtspause. General Faidherbe hoffte die Stadt, ohne sie den Schrecknissen einer die Erstürmung vorbereitenden Beschießung auszusetzen, durch weitere Umgehung zu gewinnen. Eine Brigade der Division Derroja suchte über Tilloy vorzudringen, stieß aber hier auf den ernstlichen Widerstand des Jägerbataillon und zweier von Peronne herangelangten Batterien. Zugleich eröffneten 24 Geschütze der hinter Bapaume zurückgezogenen Batterien ihr Feuer gegen die andringenden Kolonnen, welche dann um dreieinhalb Uhr über die Straße nach Albert wieder zurückwichen. Bald jedoch erneuerten sie den Angriff und drangen auch wirklich in Tilloy ein. Gegen diesen Ort richtete sich nun das Feuer aller zunächst stehenden Batterien. General von Mirus, welcher beim Vorgehen der III. Kavalleriedivision in Miraumont zurückgelassen war, dort keinen Feind vor sich sah, wohl aber den Kampf bei Bapaume hörte, rückte von Westen und General von Strubberg von der Stadt her zu erneutem Angriff heran. Die Franzosen warteten denselben nicht ab, und auch aus der Vorstadt und Avesnes wurden sie wieder vertrieben. Die französischen Divisionen nächtigten in Grevillers, Bihucourt, Favreuil und Beugnatre, so Bapaume von drei Seiten umstellend. Der Tag hatte den Deutschen 52 Offiziere und 698 Mann, den Franzosen 53 Offiziere und 2066 Mann gekostet. Aber nur mit Aufbietung aller verfügbaren Kräfte des VIII. Korps war es gelungen, dem überlegenen Angriff des Feindes Stand zu halten. Die Munition hatte noch nicht ersetzt werden können, und General von Goeben beschloß, den Kampfplatz zunächst hinter die Somme zu verlegen. Die Bewegung war in der Ausführung begriffen, als von den Patrouillen die Meldung einlief, daß auch der Gegner die nächsten Ortschaften räume. Die noch wenig kriegsgewohnten französischen Truppen hatten durch die Kämpfe des vergangenen Tages und die strenge Kälte der darauf folgenden Nacht außerordentlich gelitten. General Faidherbe konnte gewärtigen, daß die vor Peronne stehenden Streitkräfte nach Bapaume herangezogenen seien, und daß so verstärkt die Deutschen die Offensive ergreifen würden. Das nächste Ziel, die Aufhebung der Belagerung, war dann erreicht, und der General hielt es für ratsam, diesem Erfolg nicht durch einen neuen Zusammenstoß wieder aufs Spiel zu setzen. Er führte seine Korps in der Richtung auf Arras zurück. Von dem ihm folgenden deutschen Kavallerieabteilungen gelang es noch den VIII. Kürassieren, in ein französisches Quarree einzubrechen. Die XV. Division ging hinter die Somme nahe unterhalb Peronne zurück, und die sächsische Kavallerie schloß sich bei Sankt Quentin dem rechten Flügel an…“

Kaiser Wilhelm der Zweite

Auch wenn es die Geburtstagsfreude etwas trüben mag, so möchte ich den Geburtstag unseres letzten Kaiser doch dazu benutzen, um an dessen berühmte zweite Kriegsrede zu erinnern. Da diese uns Deutschen noch immer eine gute Richtschnur ist, gerade heute in diesen finsteren Zeiten:

„Ich danke euch für alle Liebe und Treue, die ihr Mir in diesen Tagen erwiesen habt. Sie waren ernst, wie keine vorher! Kommt es zum Kampf, so hören alle Parteien auf! Auch Mich hat die eine oder die andere Partei wohl angegriffen. Das war in Friedenszeiten. Ich verzeihe es heute von ganzem Herzen! Ich kenne keine Parteien und auch keine Konfessionen mehr; wir sind heute alle deutsche Brüder und nur noch deutsche Brüder. Will unser Nachbar es nicht anders, gönnt er uns den Frieden nicht, so hoffe Ich zu Gott, daß unser gutes deutsches Schwert siegreich aus diesem schweren Kampfe hervorgeht.“

Anno 1859 wurde unser Kaiser Wilhelm in Berlin geboren. Anno 1888 folgte er seinem Vater Friedrich IV. auf den deutschen Thron nach. Er herrschte bis 1918, als ihn der Dolchstoß der heimtückischen Novemberverbrecher traf. Seine Herrschaft war im Wesentlichen glanzvoll. Er hätte freilich mehr für die Kriegsrüstung und zur Bekämpfung der inneren Feinde tun können, dazu hätte unser Kaiser Wilhelm aber in die Zukunft blicken können müssen, um die Gräuel des Versailler Schandvertrages und die Pläne des Feindes zu entdecken. Man weiß nicht, wie sich so mancher großer deutscher Herrscher an seiner Stelle geschlagen hätte. Ob besser oder schlechter. Das Schicksal spielte ihm zudem so manchen Streich: Anno 1913 ging unser Graf Schlieffen heim und sein Nachfolger Moltke der Jüngere vermochte nicht seinen Schlachtplan gegen die Welschen umzusetzen… Anno 1881 ehelichte unser Kaiser Wilhelm Auguste Viktoria von Holstein, die ihm sieben Kinder schenkte (seine zweite Ehe mit Hermine von Reuß blieb kinderlos). Zur Feder griff er im Exil bei den Batavern. „Aus meinem Leben. 1859–1888“, „Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878–1918“, „Erinnerungen an Korfu“, „Vergleichende Geschichtstabellen von 1878 bis zum Kriegsausbruch 1914“ oder „Meine Vorfahren“ lauten die Namen seiner Bücher, deren Anschaffung mit Sicherheit nicht verkehrt ist. In „Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878–1918“ würdigt unser Kaiser Wilhelm nun seinen Admiral Tirpitz: https://archive.org/details/ereignisseundges00wilhuoft

„Unvergessen muß dem Admiral von Tirpitz die großartig gelungene Schöpfung der Handelskolonie Tsingtau bleiben. Hier bewährte sich sein glänzendes Talent für Administration und Organisation auf allen Gebieten. Sie haben aus dem Ort, der vorher fast unbekannt und ganz bedeutungslos war, einen Handelsplatz geschaffen, der in wenigen Jahren einen Handelsumsatz von 50 bis 60 Millionen bewältigte. Der aus seiner amtlichen Stellung sich ergebende Verkehr mit Parlamentariern, der Presse und den Kreisen der Großindustrie und des Welthandels erhöhte mit der Zeit das Interesse des Admirals an politischen Vorgängen, insbesondere an den auswärtigen Fragen. Bei solchen mußte ja immer mit der Verwendung von Schiffen gerechnet werden. Der klare Weitblick des das Ausland von seinen Reisen kennenden Seemanns befähigte Tirpitz zu raschen Entschlüssen, die sein feuriges Temperament gern schnell in die Tat umgesetzt sehen wollte. Der Widerstand und das langsame Arbeiten der Beamtengeister vermochten ihn stark zu reizen. Eine gewisse, durch mancherlei Erfahrungen vielleicht bestärkte, Neigung zum Mißtrauen verführte ihn öfters dazu, berechtigten oder unberechtigten Verdacht gegen einzelne Menschen zu hegen. Das gab Tirpitz etwas stark Zurückhaltendes in seinem Wesen und „hemmte des Herzens freudige Bewegung“ bei anderen. Auch konnte er, wenn er auf Grund neuer Überlegungen oder neuer Tatsachen seinen bisher vertretenen Standpunkt änderte, seine neue Ansicht recht entschlossen geltend machen. Daraus resultierte, daß das Zusammenarbeiten mit ihm sich nicht immer ganz amön und leicht gestaltete. Die gewaltigen Erfolge seiner Leistungen, auf die er mit Recht stolz war, verliehen ihm ein Gefühl der Macht seiner Persönlichkeit, das auch seine Freunde zuweilen spüren mußten. Während des Krieges gewann die politische Ader bei Tirpitz so sehr die Oberhand, daß es schließlich zu Differenzen kam, die letzten Endes zu seinem Ausscheiden führten. Denn der Reichskanzler von Bethmann verlangte die Entlassung des Großadmirals mit dem Hinweise, daß die Reichsstaatssekretäre seine Untergebenen seien, und daß die Politik von ihm allein geführt werden müsse. Schweren Herzens ließ ich diesen tatkräftigen, willensstarken Mann gehen, der meine Pläne in genialer Weise durchgeführt hat und mir ein unermüdlicher Mitarbeiter gewesen ist. Meines Kaiserlichen Dankes wird Tirpitz stets sicher sein. Es ist nur zu wünschen, daß diese Kraft dem in Not und Bedrängnis befindlichen armen deutschen Vaterland bald wieder helfend zur Seite stehen möge. Sie wird können und wagen, was viele andere nicht wagen. Jedenfalls gilt von Admiral von Tirpitz das Dichterwort: Höchstes Glück der Erdenkinder ist doch die Persönlichkeit! Die Kritik, die der Großadmiral in seinem lesenswerten Buche an mir üben zu müssen glaubt, kann mein Urteil über ihn nicht beeinträchtigen…“

Friedrich Wilhelm von Schelling

Anno 1775 wurde in der schwäbischen Stadt unser großer deutscher Denker Friedrich Wilhelm von Schelling geboren. Er legte eine recht ansehnliche Gelehrtenlaufbahn hin und erhielt Lehrstühle an den Universitäten von Würzburg, München und Berlin (wo er der Nachfolger Hegels wurde). Zwei Ehen hat er auch geschlossen und sechs Kinder gezeugt. Von seinen Werken sei auf „Über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt“, „Vom Ich als Prinzip der Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen Wissen“, „Abhandlung zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre“, „Ideen zu einer Philosophie der Natur“, „Von der Weltseele“, „System des transzendentalen Idealismus“, „Über den wahren Begriff der Naturphilosophie und die richtige Art ihre Probleme aufzulösen“, „Philosophie der Kunst“, „Vorlesungen über die Methode des akademischen Studium“, „System der gesamten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere“, „Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit“, „Weltalter“, „Philosophie der Offenbarung“, „Philosophie der Mythologie“ und „Philosophie der Kunst“ verwiesen, womit ich hoffentlich das wichtigste habe. Einen Auszug gibt es aus „Ideen zu einer Philosophie der Natur als Einleitung in das Studium dieser Wissenschaft“, woraus wir den Anfang der Einleitung hören: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Schelling,+Friedrich+Wilhelm+Joseph/Ideen+zu+einer+Philosophie+der+Natur

„Was Philosophie überhaupt sei, läßt sich nicht so unmittelbar beantworten. Wäre es so leicht, über einen bestimmten Begriff von Philosophie übereinzukommen, so brauchte man nur diesen Begriff zu analysieren, um sich sogleich im Besitz einer allgemeingültigen Philosophie zu sehen. Die Sache ist diese. Philosophie ist nicht etwas, was unserm Geiste ohne sein Zutun, ursprünglich und von Natur beiwohnt. Sie ist durchaus ein Werk der Freiheit. Sie ist jedem nur das, wozu er sie selbst gemacht hat; und darum ist auch die Idee von Philosophie nur das Resultat der Philosophie selbst, welche als eine unendliche Wissenschaft zugleich die Wissenschaft von sich selbst ist. Anstatt also einen beliebigen Begriff von Philosophie überhaupt, oder von Philosophie der Natur insbesondere, vorauszuschicken, um ihn nachher in seine Teile aufzulösen, werde ich mich bestreben, einen solchen Begriff selbst erst vor den Augen des Lesers entstehen zu lassen. Indes, da man doch von irgend etwas ausgehen muß, setze ich indes voraus, eine Philosophie der Natur solle die Möglichkeit einer Natur, das heißt der gesamten Erfahrungswelt aus Prinzipien ableiten. Diesen Begriff aber werde ich nicht analytisch behandeln, oder ihn als richtig voraussetzen und Folgerungen aus ihm herleiten, sondern vor allen Dingen untersuchen, ob ihm überhaupt Realität zukomme, und ob er etwas ausdrücke, das sich auch ausführen läßt. Wer in Erforschung der Natur und im bloßen Genuß ihres Reichtums begriffen ist, der fragt nicht, ob eine Natur und eine Erfahrung möglich sei. Genug, sie ist für ihn da; er hat sie durch die Tat selbst wirklich gemacht, und die Frage, was möglich ist, macht nur der, der die Wirklichkeit nicht in seiner Hand zu halten glaubt. Ganze Zeitalter sind über Erforschung der Natur verflossen, und noch ist man ihrer nicht müde. Einzelne haben in dieser Beschäftigung ihr Leben hingebracht und nicht aufgehört auch die verschleierte Göttin anzubeten. Große Geister haben, unbekümmert um die Prinzipien ihrer Erfindungen, in ihrer eigenen Welt gelebt, und was ist der ganze Ruhm des scharfsinnigsten Zweiflers gegen das Leben eines Mannes, der eine Welt in seinem Kopfe und die ganze Natur in seiner Einbildungskraft trug? Wie eine Welt außer uns, wie eine Natur und mit ihr Erfahrung möglich sei, diese Frage verdanken wir der Philosophie, oder vielmehr mit dieser Frage entstand Philosophie. Vorher hatten die Menschen im (philosophischen) Naturstande gelebt. Damals war der Mensch noch einig mit sich selbst und der ihn umgebenden Welt. In dunkeln Rückerinnerungen schwebt dieser Zustand auch dem verirrtesten Denker noch vor. Viele verließen ihn niemals und wären glücklich in sich selbst, wenn sie nicht das leidige Beispiel verführte; denn freiwillig entläßt die Natur keinen aus ihrer Vormundschaft, und es gibt keine geborenen Söhne der Freiheit4. Es wäre auch nicht zu begreifen, wie der Mensch je jenen Zustand verlassen hätte, wüßten wir nicht, daß sein Geist, dessen Element Freiheit ist, sich selbst frei zu machen strebt, sich den Fesseln der Natur und ihrer Vorsorge entwinden und dem ungewissen Schicksal seiner eigenen Kräfte überlassen mußte, um einst als Sieger und durch eigenes Verdienst in jenen Zustand zurückzukehren, in welchem er, unwissend über sich selbst, die Kindheit seiner Vernunft verlebte. Sobald der Mensch sich selbst mit der äußeren Welt in Widerspruch setzt (wie er das tut, davon späterhin), ist der erste Schritt zur Philosophie geschehen. Mit jener Trennung zuerst beginnt Reflexion5; von nun an trennt er, was die Natur auf immer vereinigt hatte, trennt den Gegenstand von der Anschauung, den Begriff vom Bilde, endlich (indem er sein eigenes Objekt wird) sich selbst von sich selbst. Aber diese Trennung ist nur Mittel, nicht Zweck. Denn das Wesen des Menschen ist Handeln. Je weniger er aber über sich selbst reflektiert, desto tätiger ist er. Seine edelste Tätigkeit ist die, die sich selbst nicht kennt. Sobald er sich selbst zum Objekt macht, handelt nicht mehr der ganze Mensch, er hat einen Teil seiner Tätigkeit aufgehoben, um über den andern reflektieren zu können. Der Mensch ist nicht geboren, um im Kampf gegen das Hirngespinnst einer eingebildeten Welt seine Geisteskraft zu verschwenden, sondern einer Welt gegenüber, die auf ihn Einfluß hat, ihre Macht ihn empfinden läßt, und auf die er zurückwirken kann, alle seine Kräfte zu üben; zwischen ihm und der Welt also muß keine Kluft befestigt, zwischen beiden muß Berührung und Wechselwirkung möglich sein, denn so nur wird der Mensch zum Menschen. Ursprünglich ist im Menschen ein absolutes Gleichgewicht der Kräfte und des Bewußtseins. Aber er kann dieses Gleichgewicht durch Freiheit aufheben, um es durch Freiheit wieder herzustellen. Aber nur im Gleichgewicht der Kräfte ist Gesundheit. Die bloße Reflexion also ist eine Geisteskrankheit des Menschen, noch dazu, wo sie sich in Herrschaft über den ganzen Menschen setzt, diejenige, welche sein höheres Dasein im Keim, sein geistiges Leben, welches nur aus der Identität hervorgeht, in der Wurzel tötet. Sie ist ein Übel, das den Menschen selbst ins Leben begleitet und auch für die gemeineren Gegenstände der Betrachtung alle Anschauung in ihm zerstört. Ihr zertrennendes Geschäft erstreckt sich aber nicht nur auf die erscheinende Welt; indem sie von dieser das geistige Prinzip trennt, erfüllt sie die intellektuelle Welt mit Chimären, gegen welche, weil sie jenseits aller Vernunft liegen, selbst kein Krieg möglich ist. Sie macht jene Trennung zwischen dem Menschen und der Welt permanent, indem sie die letzte als ein Ding an sich betrachtet, das weder Anschauung noch Einbildungskraft, weder Verstand noch Vernunft zu erreichen vermag…“

Wolfgang Amadeus Mozart

Anno 1756 wurde Wolfgang Amadeus Mozart, einer der bedeutendsten deutschen Tondichter, in Salzburg geboren. Obwohl er kaum 35 Jahre alt geworden ist, hat er uns doch einen Musikschatz von über 600 Werken hinterlassen. Die Meisten werden ihn als Opernschreiber kennen, aber diese machen nur einen Bruchteil seines Werkes aus. Mozarts Fünfunddreißigste Symphonie wähle ich aus diesem zur Feier des Tages aus: https://www.youtube.com/watch?v=uSbbptKFjKE Dazu geht es bei unserem Musikgelehrten Ludwig Nohl in „Wolfgang Amadeus Mozart. Ein Beitrag zur Ästhetik der Tonkunst“ ein Stückchen weiter: http://www.zeno.org/Musik/M/Nohl,+Ludwig/W.A.+Mozart.+Ein+Beitrag+zur+Aesthetik+der+Tonkunst

„Mit diesem Urteile haben wir auch Mozarts Bedeutung für die Tonkunst ausgesprochen. Er bezeichnet den Höhepunkt derselben, die Periode der reinen Schönheit. Nicht, daß er neue Formen geschaffen hätte; wir haben vielmehr gesehen, daß er sich darauf beschränkte, die vorhandenen so mit dem ganzen Inhalte zu erfüllen, dessen sie fähig waren, daß sich zum Beispiel Mozarts Quartette und Symphonien von den Haydnschen etwa so unterscheiden, wie das Kind vom Erwachsenen, das unbewußte Wesen vom vollen bewußten Menschen, Mozarts Fugen von den Bachschen wie das wirklich Schöne vom bloß Erhabenen, und seine Gestalten von den Händelschen wie solche Wesen, in denen die Seele zur vollen Erscheinung gekommen ist, von solchen, in denen sie als bloße Anlage liegt. Und fragen wir nun nach dem Inhalte, mit dem Mozart diese Formen so vollständig auszufüllen vermochte, so müssen wir nach dem Vorhergehenden ihn bezeichnen als die zur vollen Entfaltung gelangte Seele, den Inbegriff aller der Gefühle, deren der Mensch fähig ist und deren höchste Konzentration wir mit dem Worte »Liebe« bezeichnen. Es könnte seltsam erscheinen, daß wir das ganze Wesen der Mozartschen Musik und den eigentlichen Trieb seines Innern mit einem so vieldeutigen Worte ausdrücken. Aber wie Mozart selbst nicht von einer klaren Vorstellung der Urkraft, welche die ganze Welt beherrscht und erschaffen hat, erfüllt war, wie er selbst nicht sich darüber klar war, daß der Gedanke das Letzte ist, was allen Erscheinungen zu Grunde liegt, und wie sich ihm selbst Alles, was er an Anschauungen oder an Vorstellungen in sich aufnahm, gar bald wieder in das dunkle Treiben dessen verwandelte, was man Gefühl nennt, so sei auch uns erlaubt, das Letzte und Eigentlichste, was eine solche Künstlerseele treibt, in der Form einer Empfindung zu bezeichnen. Wir werden, wenn wir vorerst an einer Reihe von Beispielen gezeigt haben, wie die verschiedenen Stufen und Arten dieses einen Gefühls, das wir das Urgefühl nennen möchten, die immerfort Eine Triebfeder zu Mozarts Werken gewesen sind, näher auf das eingehen, was unter diesem Worte zu denken ist. Hier genüge es, nochmals anzudeuten, was schon oben gesagt wurde, wie es in Mozart zuerst in einer vollen und reinen Weise zur Erscheinung kam, daß er das Göttliche, das Allgemeine nicht als an einem bestimmten Orte wohnend sich vorstellte, sondern daß er es als in jedem Augenblicke und überall gegenwärtig ohne Unterbrechung auf das lebhafteste empfand, daß er es besonders in jedem menschlichen Wesen als recht eigentlich gegenwärtig erkannte und sich zum Menschen selbst, als zu dem Gefäße, in das sich jener Urquell stets neu ergießt, unwiderstehlich hingezogen fühlte. Den Beweis dieser Behauptung entnehmen wir mehr noch aus seinen Werken als aus seinen Worten und Handlungen. Wenn wir das Wirken dieses Mannes mit Einem Blicke überschauen, so scheint es, als habe er das ganze Hinundher der Empfindungen, welches der Mensch für den Menschen hat, das ganze Gebiet der Gefühle, die der Einzelne für den Einzelnen hat, in der Erfahrung seines Lebens wie in seiner Kunst erschöpft. Wer den Menschen und die ganze Fülle seiner Seele rein genießen will, gehe zu Mozart. Bei ihm finden wir, was den Menschen einzig beglückt, die Liebe und all die Seligkeit der Empfindung, die sie in ihrem Gefolge hat. Er war es nicht, der Freiheit erstrebte; er dachte nicht daran, sie fehlte ihm nicht. Er hatte sein reiches Leben der Liebe, und das konnte ihm Keiner stören. Äußerlich war er nicht behindert, Polizei und Paßwesen gab es kaum zu seiner Zeit, und wer sich an das öffentliche Leben nicht kehrte, war in seinem Privattreiben frei, freier als heutzutage, wo die Teilnahme an den öffentlichen Dingen dem Einzelnen tausend Pflichten und Richtungen auferlegt. Und Sehnsucht nach dieser Tätigkeit hatte Mozart nicht; um so mehr, da auch seine Umgebung sie nicht hatte. Er las keine philosophischen Schriften, wie Beethoven Platos Republik, die ihm das Haupt genugsam verwirrte; und die Zeitungen hatten damals wenig Bedeutung. Er las, wenn es überhaupt etwas Anderes als Noten waren, höchstens seinen Klopstock und was ihm von Goethe in die Hand gekommen sein mag. Sein Leben war die Kunst und die Liebe, die ihm für sie den Inhalt gab. Jede Art und Stufe derselben, von der coquetten Spielerei in Cosi fan tutte bis zur wahrsten Leidenschaft in Belmonte und Constanze, finden wir bei ihm, und die Freundschaft, die schon dem Knaben ein großes Bedürfnis war, ist ihm in der letzten Zeit seines Lebens so bedeutsam geworden, daß sich darin fast eine Ahnung jener Lehre von Gleichheit und Brüderlichkeit auszusprechen scheint, die sogleich nach seinem Tode die ganze Welt in Bewegung setzen sollte. Die Freimaurerei, in der die Verbrüderung der Gleichstrebenden zu edlen Zwecken die Hauptrolle spielt, war ihm so sehr Ernst, daß er in der Zauberflöte diesen Ideen von Freundschaft und Menschenliebe den tiefsten, bisher unerreichten Ausdruck verliehen hat. Und wer hätte das höchste dieser Gefühle, die volle Hingabe des Menschen an Gott, die andächtige Liebe zum Höchsten so rein, so wahr, so tief auszusprechen vermocht als er es in hundert kleinen Werken und zuletzt mit dem ganzen Gehalte dieser Empfindung im Requiem getan hat. Da ist es, als wolle er seinem Gotte, sowie er ihn tief und lebhaft in der Seele trug, ein ewiges Lied des Preises und der Hingebung singen. Es war sein Schwanengesang, der dem Höchsten galt, dem er schon so unzählige Male im Stillen seines Herzens innigstes Fühlen demütig ausgeschüttet hatte. Es ist dem Minuetto der kleinen Sonate für Violine und Klavier in F (André, Nr. 14) gar oft der Name „Gebet“ beigelegt worden, und es ließen sich unter seinen Werken gar viele solcher Gebete aufzählen, in denen sich unser Meister, wie Goethe in „Wanderers Nachtlied“, die Ruhe der Seele wieder ersang und sich des tiefen Bundes mit seinem Gotte neu versicherte…“

Achim von Arnim

Anno 1781 wurde zu Berlin unser großer deutscher Dichter Achim von Arnim geboren. Als echter Spielmann zog er Anno 1813 mit gegen den Napoleon zu Felde und befehligte dabei ein Landsturmbataillon. Seine größte Waffentat vollbrachte er vor Danzig, wo er bei der Befreiung unserer deutschen Hansestadt mithalf. Ansonsten verlief das Leben unseres Barden in recht ruhigen Bahnen. Von Anno 1802 bis Anno 1804 bereiste er Europa und heiratete Anno 1811 Bettina Brentano, die ihm sieben Kinder schenkte. Im selben Jahr rief er auch seine deutsche Tischgesellschaft ins Leben, in welcher sich die Vaterländischen zusammenfanden. Das Werk unseres Arnim besteht aus Gedichten und Erzählungen, zu denen sich ein paar Bühnenwerke gesellen. Wie gewohnt tragen wir Panzertiere zur Feier des Tages die Werke unseres Dichters vor. Seine „Kriegslieder“ lasse ich daher nun unseren Achim von Arnim anstimmen: http://www.zeno.org/Literatur/M/Arnim,+Ludwig+Achim+von/Gedichte

„Frisch auf, ihr preußischen Soldaten!

Ihr, die ihr noch mit deutschem Blut,

Ihr, die ihr noch mit frischem Mut

Belebet suchet große Taten,

Ihr Landsleut‘, ihr Brüder, frisch auf!

Deutschland, die Freiheit sich verlieret,

Wo ihr nicht mutig schlaget drauf

Und überwindend triumphieret.

Der ist ein Deutscher wohlgeborn,

Der von Betrug und Falschheit frei

Hat, voll der Redlichkeit und Treu,

Nicht Glauben, nicht Freiheit verloren;

So straf du, preußisch Herz und Hand,

Nun die Tyrannen und die Bösen;

Die Freiheit und das Vaterland

Ist nur durch ihren Tod zu lösen.

Ha, fallet in sie, ihre Fahnen

Zittern aus Furcht, sie trennen sich,

Ihr‘ böse Sach‘ heilt nicht den Stich,

Drum zu der Flucht sie sich schon mahnen.

Groß ist ihr Heer, klein ist ihr Glaub‘,

Gut ist ihr Zeug, bös‘ ihr Gewissen,

Frisch auf! Sie zittern wie das Laub

Und wären gern schon ausgerissen.

Kein sel’ger Tod ist in der Welt,

Als wer vorm Feind erschlagen

Auf grüner Heid‘ in freiem Feld

Darf nicht hören groß Wehklagen.

Im engen Bett er sonst allein

Muß an den Todesreihen,

Hier aber ist Gesellschaft fein,

Fall’n mit wie Kräuter im Maien.

Kein einz’ger Tod mir so gefällt!

Wer da mit Klang begraben,

Der wird das große Schlachtenfeld

Zum Denkmal ewig grün haben.

Da denk und ruf ich, wenn ich sterb,

Viktoria den andern,

Da ist der Todestrank nicht herb,

Da muß das Gläschen noch wandern.

So gehe tapfer an, mein Sohn, mein Kriegsgenosse,

Schlag ritterlich darein, dein Leben unverdrossen

Fürs Vaterland aufsetz, von dem du frei es auch

Zuvor empfangen hast, das ist der Preußen Brauch.

Dein Herz und Auge laß mit Eifers Flammen brennen,

Kein‘ menschliche Gewalt wird dich vom andern trennen,

Es weht von deinem Haupt die Fahne bald hinweg

Der Jugend Übermut, der Unordnung erweckt.

Kannst du nicht fechten mehr, du kannst mit deiner Stimme,

Kannst du nicht rufen mehr, mit deiner Augen Grimme

Den Feinden Abbruch tun, in deinem Heldenmut

Nur wünschend, daß du teu’r verkaufen mögst dein Blut.

Im Feuer sei bedacht, wie du das Lob erwerbest,

Daß du in männlicher Postur und Stellung sterbest,

An deinem Ort bestehst fest mit den Füßen dein,

Und beiß die Zähn‘ zusamm‘ und beide Lefzen ein.

Daß deine Wunden sich lobwürdig all‘ befinden

Davorne auf der Brust und keine nicht dahinten,

Daß dich dein Feind, der Tod, im Tod bewundernd zier‘,

Dein Vater im Gesicht dein ernstes Leben spür‘.

Mein Sohn, wer Tyrannei geübriget will leben,

Muß seines Lebens sich freiwillig vor begeben,

Wer nur des Tods begehrt, wer nur frisch geht dahin,

Der hat den Sieg und dann das Leben zu Gewinn.

Wir preußisch Dragoner durchstreifen die Welt,

Wir jagen wie Sturmwind ins weite Feld,

Wir wollen marschieren dem Feinde entgegen,

Damit wir ihm heute den Paß noch verlegen.

Wir haben ein Glöcklein, das läutet so hell,

Ist straff überzogen mit gelblichem Fell,

Und wenn ich das Glöcklein nur läuten gehört,

So heißt es: „Dragoner, auf euere Pferd!“

Wir haben ein Bräutlein uns alle erwählt,

Das lebet und schwebet ins weite Feld,

Das Bräutlein, das wird die Standarte genannt,

Das ist uns Dragonern wohl allen bekannt.

Und als dann die Schlacht vorüber heut war,

Da einer den andern wohl sterben sah,

Schrie einer zum andern: „Ach Jammer, Angst und Not,

Mein lieber Kamerad ist geblieben tot!“

Das Glöcklein, das klinget auch nicht mehr so hell,

Es ist ihm zerschossen sein gelbliches Fell,

Das silberne Bräutlein ist uns doch geblieben,

Es tuet uns winken, was hilft das Betrüben! …“

Ulrich von Lichtenstein

Anno 1276 ist unser Ulrich von Lichtenstein heimgegangen, seines Zeichens einer der größten Spielleute in deutschen Landen. Weshalb man seine Werke auch in den alten Liederhandschriften festhielt. Den Geburtstag unseres Ulrichs von Lichtensteins nimmt man um Anno 1200 an. Ab Anno 1244 finden wir ihn in der Steiermark, wo er einige hohe Ämter bekleidet hat und er auch die Frauenburg besaß. Zum Weib nahm er Perchta von Weißenstein, mit der er vier Kinder zeugte. In seinem Buch „Frauendienst“ hielt er uns 58 seiner Minnelieder fest und fügte diesen eine Erzählung seines Lebens bei. Ins Neudeutsche hat uns das Ganze unser Gelehrter Ludwig Tieck übertragen. Es geht mit dem Leben unseres Lichtensteins ein Stückchen weiter: https://archive.org/details/frauendienstode00tiecgoog

„Lied und Brief sende ich ihr wahrlich hin und will ihr auch alles von dir entbieten, und daß ich dich gesehen habe, und daß dir der Mund recht steht, wie einem andern Mann; den Brief, den sie mir dann herwieder sendet, will ich dir schicken, denn es ist dir gut.“ – „Ja, liebe Niftel, und dein Bote findet mich bei der Mur.“ – So schied ich von ihr und ritt hohen Mutes nach Lichtenstein. Meine Niftel nahm Lied und Brief und sandte sie meiner Frauen; als sie beides gelesen, schrieb sie gleich einen Brief. Als der Brief zu meiner Niftel kam, mußte sogleich ein Bote auf sein, der ihn mir brachte. Der Brief machte mein Herz freudenvoll, er sprach also: Meine Huld und auch den Dienst mein entbiete ich dir vielwilliglichen und tu dir kund, daß ich mich hebe von dem nächsten Montage von dem Hause, da ich jetzo auf bin und fahre hin zu dem Hause, wo du wohl weist, und bin über Nacht in dem Markt, der bei dir liegt: Nun bitt‘ ich dich, laß es nicht, und komm zu mir dahin, so will ich dir alles das antworten, was du mir entboten hast, will auch dein Neffe dahin kommen, den sehe ich gerne, um seinen Mund, wie ihm der steh, und um anders nicht. – Ich hub mich auf die Fahrt, als mir der Brief gelesen wurde, ich ritt freudig zu ihr, da war sie aber leider so behütet, daß ich sie den Abend nicht sah. Ich schlief die Nacht nicht vor Kummer, und als nun die Sonne aufging, da stund ich auf und ging hin, wo ich ihr Gesinde fand, Ritter und Knecht, die grüßte ich, und sie dankten mir als Freunde. Darnach sang ihr Kaplan eine Messe, wo ich meine Frau sah, furchtsam ging ich zu der Tugendreichen, die mich mit einer Neigung empfing, mir aber mit Worten keinen Gruß sagte. Die Messe war mir gar zu kurz, was man aber sang oder las, davon vernahm ich nichts, ich sah nur immer das reine, süße Weib an. Als die Messe geendet, da hieß man mich und alle andre Mann hinausgehen, meine Frau stieg auf und ritt fort, ich ging hin, wo ich meine Niftel fand, die lachte und sprach freundlich: du bist ein seliger Mann, meine Frau hat dir erlaubt, daß du heut mit ihr reden sollst, was dir gut dünkt, du sollst auf dem Wege heut zu ihr reiten, rede mit ihr was du willst, jedoch nicht zu viel. Da war ich froh. Ich ritt gleich nach der Werten, wo ich sie vor mir reiten sah, mein Herz sprach in Freuden: Nun hin, nun sollst du mit ihr reden, alles was dir gefällt, unbehütet reitet sie vor dir, nun sprich mit ihr, was dich gut dünkt! So ritt ich kühnlich zu ihr hin; als sie mich bei sich gewahr ward, kehrte sie sich von mir um, da ward mein Sinn so zaghaft, daß mir die Zunge alsbald verstummte, und mir das Haupt niedersank, also war ich jegliches Wortes beraubt. Ein andrer Ritter jagte zu ihr, da sah ich auf und blieb furchtsam und verzagt hinter ihnen, da sprach mein Herz wieder: nun, du verzagter Leib, du fürchtest eine so gute Frau? Weiß Gott, sie hätte dir nichts getan, wenn du nur hättest sprechen können. Höre, Leib, willst du mit Worten verzagt sein, so kann dir nie Liebe geschehen, und scheidest du so von ihr, so wird sie dir nimmermehr hold, sondern muß dich für einen Zagen halten. Wie mein Herz mich so bestrafte, ermannte ich mich wieder und ritt zu ihr; die reine Süße sah mich an, und von ihrem Ansehen erschrak mein Leib so, daß ich wieder schweigen mußte, die Kraft der Minne band mir meinen Mund zusammen, ich wußte wahrlich nicht, wo ich saß. Leib, sprach nun wieder mein Herz, unselig müssest du sein, denn du bist ein böser Mann, da sie dich so freundlich ansieht, hast du doch nicht mit ihr, recht als wärest du ein Wicht, gesprochen. – „Sieh, mein Herz, wenn ich gegen sie was sprechen soll, so weiß ich nicht, wovon es geschieht, daß ich kein Wort kann sagen, der Mund wird mir so versperrt, daß ich Unseliger kein Wort herfür bringen kann.“ – „Leib, du sollst mir glauben, daß du dir selbst groß Unheil schaffst, ich und du erleiden Plagen, und keine Stunde ist uns wohl, aber wenn dein böser Mund nicht mit Worten meinen Willen kund tut, so muß es dein Ende sein; sieh doch, das werte Weib reitet vor dir, ganz allein und unbehütet, wie bist du so furchtsam, daß du nicht zu ihr reitest und ihr all deinen Sinn sagst? Nur hin, das ist mein Rat, weil du sonst die Gelegenheit verlierst.“ – Nun ritt ich wieder zu ihr und fühlte, daß ich vor Furcht bleich war, meine Angst zu sprechen war groß, das Herz sprang mir in meiner Brust, es gelüstete ihm sehr, zu ordnen, es sagte; nun sprich! nun sprich! nun sprich! da dich Niemand hindert. Wohl zehnmal tat ich den Mund auf, zu ihr zu sprechen, da lag aber die Zunge nieder und wollte kein Wort sagen. So schied ich von ihr wieder wie erst, daß ich ihr kein Wort sagte, das geschah mir dieses Tages wohl fünfmal. Die Tagereise nahm ein Ende, und die Reine, Süße, Gute kam an, wo sie in der Nacht sein sollte, da war mein Herz sehr traurig. Man hieß die Frauen von den Pferden heben, ich nahm das Hebeeisen und hob manche klare Fraue ab. Die Falschesfreie hielt noch immer auf ihrem Pferde, und viel Ritter und Knappen standen um sie, mit denen sie ihr Scherz und Spiel hatte, da ich mit dem Hebeeisen zu ihr kam, sprach sie: Ihr seid nicht stark genug, daß Ihr mich abheben möget, Ihr seid zu krank und schwach. Des Scherzes ward gelacht, und sie trat auf das Hebeeisen; als sie aus dem Sattel stieg, ergriff sie mich bei meinem Haar, und ohne daß es Jemand sah, brach die Gute mir heimlich eine Locke aus: „daß habt dafür, daß Ihr verzagt seid! Man hat mir von Euch nicht wahr gesprochen.“ So ging die Gute zu ihren Frauen, und ich stund in tiefen Gedanken; wie ist dir nun geschehen? Sie hat Recht, daß sie so bösen Mann nicht achtet, ich habe es gegen sie verschuldet. Indem kam ein Ritter zu mir und sagte, man sollte die Frauen nun in ihr Zimmer gehen lassen, und so ritt ich in die Herberge, in meiner Trauer bat ich Gott, daß er mir das Leben nehmen möchte. Ich ging allein in eine Kammer und sagte den Leuten, ich sei krank, so fühlte ich mich auch, denn mein Leib wandte sich nach allen Seiten, und ich klagte laut: O weh! o weh! Wie bin ich doch zum Unheil geboren! Nimmermehr werde ich wieder froh, und alles Unglück, das mir begegnen kann, hab‘ ich verdient. Wie war es möglich, daß ich zu ihr kein einzig Wort sprechen konnte? Darum muß immer meine Zunge und mein Mund unselig sein, und darum werde ich nie wieder froh, weil ich so durch eigne Bosheit meine Frau verloren habe. So lag ich die Nacht in mancher Klage, bald saß ich, bald lag ich, jetzt ging ich, nun wand ich mich dort, nun wand ich mich hie, oft rang ich meine Hände. Einer meiner Mage kam am Morgen zu mir und fragte mich, was fehlt dir? Ich sprach, mir tut das Herz so weh, als ob es mir brechen wolle, und drum mag ich weder sitzen noch stehen. Er sprach, es ist ein Arzt hier; so bringe mir den, antwortete ich. Er ging sogleich nach dem Meister in die Stadt, ich aber ließ mir alsbald ein Pferd vorführen und rannte recht als ein rasender Mann nach der Stelle, wo ich gestern die Gute gelassen hatte. Als ich mich dem Orte näherte, sah ich, wie sie mir von dort in Frauen-Weise in einem Mantel entgegen ritt: als sie mich sah, neigte sie mir, und nun schwieg ich auch nicht länger: Gnade, sprach ich, meine Fraue, Ihr müßt mir gnädig sein, denn an Euch liegt alle meine Freude, Ihr sollt mir glauben, daß ich Euch seit meinen frühsten Jahren gedient habe, als ich Euch zuerst kennen lernte; laßt mich drum Euer Ritter sein und erlaubet mir um Eure Tugend diesen Dienst, denn nie kann ich jemals etwas so edles gewinnen, als Euren reinen süßen Leib, um Euch will ich mein Leben wagen in ritterlicher Arbeit und will Euch als Euer Ritter bis zu meinem Tode dienen. – „Schweiget, denn Ihr seid ein Kind und so hoher Dinge unverständig, reitet gleich fort von mir, so lieb Euch meine Huld ist.“ – „Wohl habt Ihr Recht, meine liebe Fraue, daß ich noch zu dumm bin, um ganz auszusprechen, was mein Sinn meint, sonst bin ich weise genug, um in Eurem Dienst den Preis eines Ritters zu gewinnen.“ – „Fahrt jetzt von mir, das ist mein Rat, wenn Ihr noch Sinne habt; laßt Euer Flistern, denn Ihr wißt wohl, daß man mein hütet, hat Jemand Eure Rede gehört, so mag es Euch zu Schaden kommen; laßt mich! wahrlich, Ihr seid ein verdrüßlicher Mann.“ – Indem sah die Gute sich um, und sprach zu einem Ritter: reitet doch her zu mir, denn es ziemt sich nicht, daß nur ein einziger Ritter neben mir reite, sehet, daß das nicht wieder geschehe! Ich sprach, sie hat Recht, denn es ist eine Unhübschheit, daß Ihr sie selbander reiten laßt, heißt mehr herkommen. Indem kamen ihrer Sechs herzu, die nach Rittersitten mit ihr ritten. Ich nahm Urlaub und war von Herzen froh, daß ich meiner Frauen nun doch einen Teil meiner Gedanken gesagt hatte…“

Generalmajor Max Hoffmann

Anno 1869 erblickte im hessischen Städten Homberg unser Generalmajor Max Hoffmann das Licht der Welt. Anno 1888 begann er seine kriegerische Laufbahn und war zu Beginn des Vierjährigen Krieges der erste Generalstabsoffizier unserer VIII. Armee. Als solcher wurde er zum wichtigen Schlachtenhelfer Hindenburgs und Ludendorffs und hatte großen Anteil an den Schlachtensiegen von Tannenberg, an den Masurischen Seen, Lodz, der Winterschlacht in Masuren oder der Schlacht am Naratschsee. Anno 1917 wurde er zum Generalstabschef Leopolds von Bayerns, des neuen Oberbefehlshabers Ost, ernannt. Mit dem Unternehmen Faustschlag zwang er die Russen schließlich zur Annahme des Friedens von Brest. Das Eiserne Kreuz beider Klassen und den Blauen Verdienstorden Friedrichs des Großen brachten ihm seine Leistungen ein. Für die Bücherwürmer hat unser General Hoffmann „Der Krieg der versäumten Gelegenheiten“, „An allen Enden Moskau“, „Tannenberg wie es wirklich war“ und seine Aufzeichnungen auf Lager, deren Anschaffung für die heimische Panzerbücherei zu empfehlen ist. „Der Krieg der versäumten Gelegenheiten“ ist eine Manöverkritik des Vierjährigen Krieges und darin lese ich nun ein Stück weiter. Wir befinden uns beim Ausbruch des Vierjährigen Krieges: https://digi.landesbibliothek.at/viewer/toc/AC05602296/1

„Ein Schulbeispiel für seine Art war die Schlacht bei Liauyan. Der japanische Frontalangriff von Süden gegen Liauyan war gescheitert. General Kuroki entschloß sich zu dem kühnen Unternehmen, mit der Masse seiner I. Armee über den Taitse-Ho abzumarschieren, um durch einen Stoß gegen die Höhe östlich Liauyan die Entscheidung zu bringen. Zwischen dem Taitse-Ho und der im Anschluß an die IV. japanische Armee fechtenden Gardedivision – in einem Raum von etwa einer deutschen Meile – ließ er nur sechs Kompanien, die in einzelnen Gruppen auf den Bergspitzen verteilt lagen und den Russen eine Besetzung vortäuschen sollten. Die Russen brauchten in diesem Raum nur vorzugehen, und das Schicksal der japanischen Armee war besiegelt. Die Gardedivision wurde dann umfaßt, IV. und II. japanische Armee nach Südwesten geworfen, Kuroki in das Gebirge abgedrängt. Ich habe selbst bei einer solchen japanischen Gruppe achtundvierzig Stunden gelegen. Die Russen hatten wir in dichten Linien auf 2500 bis 3000 Meter in Schützengräben gegenüber, sie rührten sich nicht. Als sich dann die Truppen Kurokis auf dem nördlichen Taitse-Ho-Ufer fühlbar machten und die 15. Brigade zum Angriff auf den von den Japanern Manyuyama, von den Russen Höhe von Suikwantun genannten Hügel schritt, konzentrierte sich Kuropatkins Aufmerksamkeit und Sorge nur auf diesen Punkt. Die Masse seiner Reserven wurde gegen den einen bedrohten Punkt angehäuft und in vergeblichen Gegenangriffen gegen den von der l5. Brigade genommenen Hügel erschöpft. Die Südfront, auf der ihm leichter Erfolg winkt, wird überhaupt nicht mehr berücksichtigt, und als es nicht gelingt, die kleine Höhe von Suikwantun wieder zu nehmen, wird – ohne Grund – der Rückzug befohlen. So war es bei Liauyan; ähnlich am Schahs und bei Mukden. So war die Art der Russen im Kriege gegen uns nicht mehr. Die Fehler gegenüber den Japanern wurden im Feldzug gegen uns nicht mehr wiederholt. Eine meiner letzten Arbeiten während meiner Tätigkeit in der russischen Abteilung des Großen Generalstabes war gewesen, nach uns vorliegenden Nachrichten den russischen Aufmarsch gegen Deutschland zu konstruieren. Unser Nachrichtenwesen hatte im Frieden nicht sehr gut gearbeitet. Der Hauptgrund war wohl der, daß ihm die nötigen großen Geldmittel, die erforderlich sind, um im Ausland Agenten und Spione anzuwerben, nicht zur Verfügung standen. Soviel ich mich erinnere, war es nur einmal im Jahre 1902 gelungen, den ganzen russischen Aufmarsch von einem russischen Oberst im Generalstab zu kaufen. Seit dieser Zeit wußten wir nur, daß der russische Aufmarsch geändert sei, wie, war uns jedoch lange Jahre sehr zweifelhaft. Im Jahre 1910 – wenn ich mich nicht irre – gelang es dem Nachrichtenoffizier vom Generalkommando des I. Armeekorps in Königsberg, dem damaligen Hauptmann Nicolai, einen Grenzschutzbefehl für ein Detachement der russischen 26. Division in Kowno zu bekommen. Es ging daraus hervor, daß die Russen aus den in erster Linie zur Verfügung stehenden Truppen zwei Armeen gegen uns aufstellten: die sogenannte Wilnaer Armee und die Warschauer Armee. Sie sollten beide gegen Ostpreußen, die eine nördlich, die andere südlich der masurischen Seen offensiv werden. Die beiden Armeen sollten mit ihren inneren Flügeln in Richtung Gerdauen vorstoßen und ihre Vereinigung hinter der masurischen Seenkette suchen. Über Zusammensetzung der beiden Armeen gab der uns vorliegende Befehl keine Auskunft. In erster Linie mußten naturgemäß die Truppen der Militärbezirke Warschau und Wilna zu ihnen gehören; die in dem südlichen Militärbezirk Warschau und in den Militärbezirken Kiew und Odessa stehenden Truppen waren als gegen Österreich-Ungarn bestimmt anzusehen. Dagegen wußten wir nichts über die voraussichtliche Verwendung der Truppen aus den Militärbezirken Petersburg, Finnland, Moskau, Kasan, Kaukasus und sämtlichen asiatischen Truppen. Was die Asiaten anbetrifft, so nahm der Generalstab, wenigstens solange ich (Herbst 1911) in der russischen Abteilung arbeitete, nicht an, daß die Russen in der Lage sein würden, ihre ganzen ostsibirischen Truppen nach Europa zu werfen, da man sich dem Glauben hingab, daß es unserer Diplomatie gelingen würde, Japan dem Konzern der Feinde fernzuhalten. Gelang unserem Auswärtigen Amt diese nach dem gewöhnlichen Menschenverstande nicht allzu schwierige Aufgabe, so mußten die Russen wenigstens einen Teil der ostsibirischen Truppen im Fernen Osten belassen…“

Geiserich, König der Wandalen

Anno 477 ging unser Vandalenkönig Geiserich heim. Er führte seine Vandalen Anno 430 nach Afrika und bemächtigte sich der reichen Ländereien. Mehrere Gegenangriffe der Römer und Byzantiner schlug er ab und mit der Einnahme Karthagos Anno 439 war sein neues Reich begründet. Mit seiner Flotte gewann er Sardinien, Korsika und Sizilien hinzu und plünderte Anno 455 Rom für zwei Wochen. Vier Söhne und eine Tochter hatte unser Geiserich. Sein Sohn Hunerich folgte ihm nach. Der berühmten Einnahme Roms Anno 455 ging die Selbstausschaltung der römischen Führung voraus: Ein gewisser Maximus verleitete zuerst den römischen Kaiser Valentinian zur Ermordung seines Heermeisters Aetius und ermordete dann diesen selbst, um die Macht an sich zu reißen. Mehr dazu weiß der griechische Geschichtsschreiber Prokop zu berichten (bei dem nun der Hunnenkönig Etzel einen Gastauftritt hat):

„Nach dem Tode des Aetius, plünderte Attila, weil ihm keiner mehr das Gleichgewicht hielt, ohne Schwierigkeit ganz Europa und machte beide Kaisertümer willig, ihm Steuern zu zahlen. Denn jedes Jahr wurden von den Kaisern ihm Geldsummen gesendet. Als Attila damals Aquileia, eine große und überaus volkreiche Seestadt, die an dem äußersten Ende des ionischen Busens liegt, belagerte, soll sich folgender für ihn glückliche Vorfall ereignet haben. Da er, wie n.an erzählt, weder durch Gewalt, noch andere Mittel den Platz erobern konnte, verzichtete er auf die Belagerung, welche schon sehr lange gedauert hatte und erteilte Befehl, daß das ganze Heer zu einem baldigen Abmarsch sich sogleich in Bereitschaft setzen sollte, damit alle am folgenden Tage mit Aufgange der Sonne von da aufbrechen könnten. Als die fremden Völker am folgenden Tage um Sonnenaufgang die Belagerung aufhoben und bereits den Abzug begannen, zog auch plötzlich ein Storch, welcher auf einem Turme der Stadtmauer sein Nest gehabt und Junge aufgezogen hatte, mit seinen Kindern fort. Der alte Storch breitete die Flügel aus und die jungen Störche, welche noch nicht ganz flügge geworden waren, flatterten ihm teils nach, teils wurden sie auf dem Rücken des alten Storches getragen und so flogen sie sehr weit von der Stadt hinweg. Als Attila, welcher ungemein fähig war, alles zu verstehen und dessen Bedeutung zu erraten, solches bemerkte, befahl er dem Heere, an Ort und Stelle zu bleiben und erklärte, daß der Vogel mit seinen Jungen nicht ohne Grund von da weggeflogen sei, wenn er nicht geahnet hätte, daß den Platz in kurzer Zeit ein Unglück treffen werde. Auf diese Weise, sagt man, habe sich das Heer der Barbaren wieder zur Berennung der Stadt gelagert und kurze Zeit darauf sei ein Teil der Mauer und zwar derjenige, auf dem der Storch sein Nest hatte, ohne die mindeste Ursach plötzlich zusammen gestürzt, der Eingang in die Stadt sei den Feinden geöffnet und so Aquileia mit stürmender Hand erobert worden. In der Folge tötete Maximus den Kaiser ohne Schwierigkeit, ergriff eigenmächtig die Regierung und weil seine Ehegemahlin nicht lange zuvor gestorben war, so legte er sich der Eudoxia mit Gewalt bei und äußerte ihr einmal im Bette, daß er alles, was geschehen sei, aus Liebe zu ihr ausgeführt habe. Eudoxia, schon früher mit Haß gegen Maximus erfüllt, und begierig, den an Valentinian verübten Frevel zu rächen, wurde durch jene Äußerung noch mehr empört und sann auf sein Verderben, da sie aus seinem Munde gehört hatte, daß ihretwegen das Unglück ihren Gemahl getroffen habe. Sobald der Tag an, gebrochen war, schickte sie nach Karthago und ließ Geiserich bitten, den Valentinian, der auf eine, seiner und des Kaisertums unwürdige Weise von einem schändlichen Menschen ermordet sei, zu rächen und sie, welche von dem Tyrannen Gräuel erdulden müsse, zu befreien. Sie wandte sich an Geiserich, als an einen Freund und Bundesgenossen und stellte ihm vor, daß es gewissenlos sei, nicht gegen eine so große Schandtat, die an dem Hause des Kaisers verübt sei, als Rächer aufzutreten. Denn aus Byzantium glaubte sie nicht eine rächende Macht erwarten zu können, weil Theodosius bereits aus der Welt gegangen war, und Marcianus die kaiserliche Regierung übernommen hatte…“