„Herr von Hardenberg hatte die Gutmütigkeit und Freundlichkeit sanguinischer, genußliebender Menschen, einen Verstand, der leicht faßte, Tätigkeit, ein vorteilhaftes Äußeres. Es fehlte aber seinem Charakter sowohl an einer moralischen, religiösen Basis als an Größe, intensiver Kraft und Festigkeit, seinem Verstand an Tiefe, seinen Kenntnissen an Gründlichkeit, daher seine Schwäche, sein Übermut im Glück, seine weinerliche Weichheit in Widerwärtigkeiten, seine Oberflächlichkeit, die, durch seine Sinnlichkeit, Stolz und Falschheit geleitet, so vieles Übel verursachten. Er entfernte alle tüchtigen Menschen, umgab sich nur mit mittelmäßigen, oft schlechten, die ihn mißbrauchten und unanständig behandelten, seine Lieblingsunterhaltung waren unzüchtige Reden; der vertraute Umgang mit nichtswürdigen Weibern, die mit seinen grauen Haaren, seinem Stolz, seiner Würde kontrastierten, machte ihn noch verächtlicher; er untergrub den alten preußischen Geist der Sparsamkeit und des Gehorsams, und als er starb, hinterließ er die Finanzen zerrüttet und die Staatsgeschäfte in den Händen einer Überzahl schlecht ausgewählter Beamten. Nicht nach dem Großen und Guten strebte er um des Großen und Guten willen, sondern als Mittel zu eigenem Ruhm, daher begriff er es nicht, erreichte es nicht und ging dahin, nicht geachtet, nicht betrauert.“ (Karl vom Stein)
Reichlich streng geht da unser Freiherr vom Stein mit seinem Nachfolger Karl August von Hardenberg ins Gericht. Wir Panzertiere sind da weniger streng. Denn als unser Hardenberg Anno 1810 an die Spitze es preußischen Staates trat, schwebte dieser in beständiger Gefahr von Napoleon ausgelöscht zu werden. Umso mehr als unser General Gerhard von Scharnhorsts heimlich an seiner Heeresreform werkelte. Ob sich unser Stein besser geschlagen hätte, wissen wir nicht. Da er aber von Napoleon geächtet und in die Verbannung gehen mußte, so hätte er leicht Anno 1812 den Heißspornen beitreten und mit Rußland den Verzweiflungskampf gegen Napoleon aufgenommen. Ein Sieg über Napoleons 600,000 Mann starke große Armee wäre aber unmöglich gewesen. Selbst wenn Preußen sein Heer von 40,000 auf 250,000 Mann hätte bringen können, was nicht zu erwarten stand. Denn Napoleon wäre rasch mit seiner Hauptmacht erschienen und die bis die Russen aus den Tiefen ihres Landes herangekommen wären, würde die Entscheidung gefallen sein. Der Ausgang der Schlacht von Ligny stimmt nicht gerade zuversichtlich, daß Blücher und Gneisenau in der Unterzahl gesiegt hätten. Daher mußte man in den sauren Apfel beißen und wer die Feldzüge Napoleons studiert hat, der konnte dessen Schwachstelle – die Vernachläßigung des Nachschubwesens und der Mangel an Fürsorge für die eigenen Truppen – durchaus erkennen. Ob unser Hardenberg das tat wissen wir nicht. Seine zögerliche Haltung Anfang Anno 1813 spricht dagegen, wobei man das Ausmaß der Niederlage Napoleons erst erblicken mußte, bevor man die Scharnhorstsche Truppenvermehrung in Kraft setzen konnte… Anno 1750 wurde unser Hardenberg im sächsischen Essenrode geboren. In Göttingen und Leipzig studierte er die Rechtskunde und war für Hannover, Braunschweig und Ansbach tätig, bevor er in den preußischen Dienst getreten ist. Als Außenminister zeigte er sich nur bedingt glücklich und so ereilte unser altes Preußen Anno 1806 sein Unglücksjahr. Gar zu sehr hatte man sich auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen ausgeruht. Auf dem Wiener Kongreß setzte unser Hardenberg die Erwerbung des Rheinlandes durch Preußen durch und gründete mit Metternich den Deutschen Bund und die Heilige Allianz mit Rußland. In Preußen wollte er eine landständische Verfassung einführen, die ihm unser Preußenkönig Friedrich Wilhelm der Dritte aber nicht genehmigt hat. Ob diese den liberalen Parlamentsunfug nach Anno 1848 verhindert hätte, wissen die Nornen allein. Bezüglich des Familienlebens ist unser Hardenberg aber wahrlich nicht zu loben. Da zwei seiner drei Ehen geschieden wurden und er auch nur zwei – legitime – Kinder hatte. Unser Geburtstagskind soll natürlich auch selbst zu Wort kommen. Aus der Rigaer Denkschrift gibt es die Überlegungen zum Umgang mit Napoleon und Rußland: https://archive.org/details/denkwrdigkeite04harduoft
„III) Überhaupt zeige man Charakter. Dieser muß dem Staat wieder aufhelfen, so wie der Mangel daran ihn gestürzt hat. Wesentliche Schritte dazu sind geschehen. Preußen hat durch sein Betragen im Unglück und durch treue Beharrlichkeit einen großen Teil der verlorenen Achtung wieder erworben und sich rein gewaschen von den alten politischen Sünden. Man übe eine ehrliche, gerade, treue Politik, ohne List und Trug, die entgegengesetzte Napoleons, aber mit großer Konsequenz. Nur dieses kann Vertrauen geben, und nur erst auf Vertrauen in Rechtlichkeit und Konsequenz kann Achtung gegründet werden, statt deren der Übermächtige Furcht gebietet. Nur Achtung kann dem Staat Ansehn und Sicherheit verschaffen, der durch Furcht nicht imponieren kann. Auch im Unglück kann man Würde behaupten und einen edlen festen Ton beibehalten. IV) Alle Verwickelungen vermeide man aufs allersorgfältigste und gebe keinen Anlaß zum Streit, damit man Zeit gewinne, sich zu verstärken. V) Insonderheit ist hierin mit Napoleon die größte Vorsicht nötig, da noch so viele Gegenstände mit ihm auszugleichen sind und er das Messer noch über uns zuckt. Vor allen Dingen wende man alles an, die französischen Truppen ganz aus dem Lande zu entfernen und scheue allenfalls ein neues Opfer nicht, um dahin zu gelangen. Freilich bleiben sie uns nur zu nahe; indeß ist doch vorerst viel gewonnen, wenn sie fort sind. Aber um alles in der Welt schmeichle man Napoleon nicht kriechend, wie ehemals. Damit würde man gewiß den Zweck verfehlen, wie wir ihn verfehlt haben. Napoleon weiß recht wohl, was er von solchen Zuvorkommenheiten und Schmeicheleien zu halten hat, und nur seine Achtung kann frommen. Man hüte sich mit ihm zu streiten, so lange es irgend möglich ist; man beleidige ihn nicht, aber auch gegen ihn benehme man sich mit Würde und Festigkeit und Konsequenz. Von sehr guter Hand ist mir versichert worden, daß man in Paris die Briefe des Königs an Napoleon les Elegies de Frederic Guillaume nannte. VI) Preußen muß sich jetzt Frankreich nicht nähern und sich ja nicht um die Allianz Napoleons bewerben, gegen die er sogar Abneigung geäußert hat. Es muß sich von ihm suchen lassen, und nur dahin trachten, zu verhüten, daß er es nicht zwinge, unter seinen Fahnen zu fechten. Nur im Notfall kann Preußen sich mit Frankreich alliieren und nur dann, sollte dieser eintreten, wenn es zugleich mit einer andern großen Macht, mit Rußland oder Österreich geschehe, also womöglich nie allein, es sei denn daß es von den andern Mächten verlassen oder angefallen würde. Die Folgen einer jeden Allianz mit Frankreich werden immer großer eigener Kriegsaufwand und Schaden durch die alliierten Truppen, ohne baren Ersatz, sein, von einer Allianz mit Frankreich allein – Abhängigkeit. VII) Dem Rheinbunde muß Preußen ja nicht beitreten, weil es dadurch der Abhängigkeit das Signal ausdrücken und sich zum Vasallen Napoleons stempeln würde. Es bewahre wenigstens den Schein der Independenz, bis es die Wirklichkeit wieder an die Stelle setzen kann! Selbst angebotene Vorteile dürfen Preußen nicht hierzu bewegen. VIII) Laut darf es Preußen jetzt freilich nicht aussprechen, daß es dem französischen System nicht hold ist, aber eben so wenig sich für solches erklären. Dieses würde ohnehin bei Napoleon keinen Glauben finden. Er hat zu wenig Achtung und Rücksicht für Preußen gezeigt . um solchem je wahre Zuneigung zuzutrauen. Es konnte nur dann rätlich sein, sich dem französischen politischen System anzuschließen, wenn es die Not erheischte, wenn der Staat dadurch eine Existenz erhielt, die seine Macht und Unabhängigkeit sicherte; nur dann, wenn dieses noch je der Fall sein könnte, würde sich solches noch rechtfertigen. Jetzt erhalte man vorsichtig bei den übrigen Mächten den Glauben an Konsequenz und Beharrlichkeit in den Grundsätzen, sich selbst aber, so wie bei ihnen, Vertrauen und Hoffnung aus wechselseitige Hilfe. IX) Rußland hat Preußen schändlich verlassen. Um aber den Charakter der russischen Treulosigkeit, das künftige Benehmen gegen diese Macht und den Grad des Vertrauens richtig zu bestimmen, das man aus sie setzen kann, ist es durchaus nötig, aus die Umstände Rücksicht zu nehmen und aus die Personen, welche dabei gewirkt haben. Sie sind zu bekannt, als daß es erforderlich wäre, hier in eine umständliche Auseinandersetzung hinein zu gehen. Der Kraftlose, der ausgerüstet mit großer Macht den Umständen gar nicht gebieten kann und bei dem ersten widrigen Geschick jenen schwach unterliegt, ist und bleibt ein unzuverlässiger Freund, aber man traue ihm nur das zu, wozu sein Charakter berechtigt: man benutze seine gute Absicht und das, was man nach dem Maße seiner Kraft von ihm erwarten kann, Preußen muß Rußlands Nachbarschaft und Macht immer scheuen und schonen. Jetzt muß es solches so fest als möglich an der Allianz und den durch die Bartensteiner Konvention eingegangenen Verbindlichkeiten, an den mündlich und schriftlich, so oft und so heilig wiederholten Versicherungen des Kaisers halten, sich desselben als Stütze gegen Frankreich, als Vermittler streitiger Punkte bedienen und von seiner Freundschaft den möglichen Ersatz des erlittenen Verlusts und Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeiten fortgesetzt begehren. So manche Betrachtungen müssen ihn bewegen, hierauf Rücksicht zu nehmen und glücklicher Weise fordert es das eigene Interesse seines Reichs. Ob es rätlich sei, die 1808 ablaufende Allianz wieder zu erneuern, läßt sich jetzt noch nicht gewiß bestimmen: die Umstände müssen es ergeben. Indeß scheint es allerdings so, vielleicht mit angemessenen Modifikationen…“