Großadmiral Alfred von Tirpitz

„Ich glaube nicht, daß Preußen sich je zur Bildung einer Kriegsmarine entschließen darf. Die Gründe sind folgende. Mehrere Staaten Europas haben große Flotten: England, Frankreich, Spanien, Dänemark und Rußland. Ihnen werden wir niemals gleichkommen können. Da wir also mit wenigen Schiffen immer hinter den anderen Nationen zurückbleiben würden, so wäre die Ausgabe unnütz. Hinzu kommt, daß wir, um die Kosten für eine Flotte aufzubringen, Landtruppen entlassen müßten, da Preußen nicht volkreich genug ist, um Mannschaften für das Landheer und Matrosen für die Schiffe zu stellen. Außerdem führen Seeschlachten nur selten eine Entscheidung herbei. Daraus ziehe ich den Schluß, daß man besser tut, das erste Landheer in Europa zu halten als die schlechteste Flotte unter den Seemächten.“

Diese alte Warnung Friedrichs des Großen kann man der Flotten- und Seekriegsführungsmeute nicht oft genug entgegenhalten. Denn die Lücke in der Marneschlacht Anno 1914 war die Hochseeflotte! Gar nicht zu reden von der Rolle der Seesoldaten beim Dolchstoß Anno 1918. Dennoch wünsche ich deren Schöpfer, Großadmiral Alfred von Tirpitz alles gute zu seinem heutigen Geburtstag. Unser alter Seebär kam Anno 1849 in Küstrin zur Welt, schloß sich Anno 1865 unserer preußischen Marine an und konnte ab Anno 1897 sich dem Aufbau unserer deutschen Kriegsflotte widmen. Seine Erinnerungen sind sehr lesenswert und werden daher zur Feier seines Geburtstages vorgetragen: https://archive.org/details/erinnerungen00tirp

„Die Gefahr der Lage sah ich vor allem darin, daß England das Endglied der Ententekette bildete. Die überlieferte Abneigung des Panslawismus gegen das Deutsche Reich und die russisch-österreichische Eifersucht auf der Balkanhalbinsel bestanden trotz der Potsdamer Begegnung von 1910 fort, und die russische Intelligenz hatte sich durch unsere Balkanpolitik 1908/14 erhitzen lassen. Die Kreise um die Novoje Wremja wünschten den Krieg, wenn auch nicht vor 1916. Dennoch hatten Ssasonow und der Zar die Zügel noch genügend in der Hand, so daß die deutsche Politik den russischen Expansionstrieb, meiner festen Überzeugung nach, von uns und von Österreich-Ungarn noch immer ablenken konnte, wenn sie ihm nach anderen, für uns nicht vitalen Fronten hin Luft gab. Erst die Ungeschicklichkeit unserer Politik verschaffte der russischen Kriegspartei Oberwasser und machte es Suchomlinow zuletzt möglich, den Zaren zu betrügen. Rußland hatte freilich kein moralisches Recht, aus der Züchtigung Belgrads einen Krieg zu machen, aber man durfte die Gefahr nicht unterschätzen, daß weite russische Kreise dies fordern würden. Ich war zwar vor dem Ultimatum davon überzeugt, daß ein vertrauensvolles Verhandeln mit dem Zaren die Petersburger Kriegspartei im Zaum halten würde; aber wenn wir zu scharf vorgingen, so war fast mit Sicherheit darauf zu rechnen, daß England entsprechend einer jahrhundertelangen politischen Überlieferung zur Erhaltung des „festländischen Gleichgewichts“, wie es dasselbe verstand, den Krieg entfesselte. Diese Gefahr, den schlummernden englischen Kriegswillen zu wecken, habe ich in einem Gespräch mit dem Prinzen Heinrich, der mich Mitte Juli in Tarasp besuchte, betont. Meine Auffassung wurden von dem dort anwesenden Staatsminister von Loebell und dem sächsischen Gesandten von Salza geteilt. Die Frage der Unterberechnung meiner Kur wurde dadurch erledigt, daß der Kanzler mir den Wunsch ausdrücken ließ, nicht nach Berlin zurückzukehren, um Aufsehen zu vermeiden. Noch am 24. Juli telephonierte die Reichskanzlei dem Reichsmarineamt, meine Heimreise würde die Lage verschärfen. Eine eigenmächtige Rückkehr konnte ich weder für korrekt noch für nutzbringend erachten, zumal der Kanzler, vom Ausgang des Novellenstreits von 1912 empfindlich berührt, mich mit einer gewissen Eifersucht von den auswärtigen Geschäften fernhielt und begonnen hatte, einen Sagenkreis um mich zu verbreiten, als mische ich mich in seine Politik. Im übrigen konnte ich aus den Tagesmeldungen meiner Behörde, die vom Auswärtigen Amt naturgemäß nur lückenhaft unterrichtet wurde, ein klares Bild nicht gewinnen und stand ihnen zufolge wesentlich unter dem Eindruck, daß keine Macht die Verantwortung für einen größeren Konflikt auf sich nehmen würde. Man war an solche Spannungen seit Jahren gewöhnt. Bülow war ihrer noch immer Herr geworden. Die Verschärfung der Lage nach der Überreichung des Ultimatums, insbesondere aber die Nachricht von der Rückkehr unserer Flotte in die heimischen Häfen veranlaßte mich schließlich, am 27. Juli ohne Anfrage beim Kanzler heimzukehren.“

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