Theodor Mommsen

Unser deutscher Geschichtsschreiber der Römer, Theodor Mommsen, hat heute Geburtstag und zwar Anno 1817 zu Garding in Schleswig, um genau zu sein. Da der kulturelle Einfluß der alten Römer auf fast alle Lebensbereiche Europas und auch Deutschlands sehr groß ist – so benutze ich gerade die römischen Schriftzeichen beim Schreiben – kann es nicht schaden, wenn man sich mit diesen ein wenig beschäftigt. Mommsens römische Geschichte stellt da für den geschichtlich begeisterten Laien eine gute Wahl dar, wenn man bei dessen liberalen Einschüben und Betrachtungen bisweilen auch den Kopf schütteln muß (aber im XIX. Jahrhundert machte man sich wohl noch Hoffnungen bezüglich des Liberalismus). Obwohl es der alte Mommsen eigentlich hätte besser wissen müssen, wie seine Beurteilung der entschieden nichtliberalen Senatsherrschaft im alten Rom zeigt, die ich mir als Auszug aussuche: http://www.zeno.org/Geschichte/M/Mommsen,+Theodor/R%C3%B6mische+Geschichte/Erster+Band/Zweites+Buch.+Von+der+Abschaffung+des+r%C3%B6mischen+K%C3%B6nigtums+bis+zur+Einigung+Italiens

„Dazu kam endlich der übermächtige und klug vereinigte Einfluß der Aristokratie auf die Wahlen, welcher dieselben nicht immer, aber in der Regel auf die der Regierung genehmen Kandidaten lenkte. – Was schließlich die Verwaltung anlangt, so hing Krieg, Frieden und Bündnis, Kolonialgründung, Ackerassignation, Bauwesen, überhaupt jede Angelegenheit von dauernder und durchgreifender Wichtigkeit und namentlich das gesamte Finanzwesen lediglich ab von dem Senat. Er war es, der Jahr für Jahr den Beamten in der Feststellung ihrer Geschäftskreise und in der Limitierung der einem jeden zur Verfügung zu stellenden Truppen und Gelder die allgemeine Instruktion gab, und an ihn ward von allen Seiten in allen wichtigen Fällen rekurriert: keinem Beamten mit Ausnahme des Konsuls und keinem Privaten durften die Vorsteher der Staatskasse Zahlung anders leisten als nach vorgängigem Senatsbeschluß. Nur in die Besorgung der laufenden Angelegenheiten und in die richterliche und militärische Spezialverwaltung mischte das höchste Regierungskollegium sich nicht ein; es war zu viel politischer Sinn und Takt in der römischen Aristokratie um die Leitung des Gemeinwesens in eine Bevormundung des einzelnen Beamten und das Werkzeug in eine Maschine verwandeln zu wollen. – Daß dies neue Regiment des Senats bei aller Schonung der bestehenden Formen eine vollständige Umwälzung des alten Gemeinwesens in sich schloß, leuchtet ein; daß die freie Tätigkeit der Bürgerschaft stockte und erstarrte und die Beamten zu Sitzungspräsidenten und ausführenden Kommissarien herabsanken, daß ein durchaus nur beratendes Kollegium die Erbschaft beider verfassungsmäßiger Gewalten tat und, wenn auch in den bescheidensten Formen, die Zentralregierung der Gemeinde ward, war revolutionär und usurpatorisch. Indes wenn jede Revolution und jede Usurpation durch die ausschließliche Fähigkeit zum Regimente vor dem Richterstuhl der Geschichte gerechtfertigt erscheint, so muß auch ihr strenges Urteil es anerkennen, daß diese Körperschaft ihre große Aufgabe zeitig begriffen und würdig erfüllt hat. Berufen nicht durch den eitlen Zufall der Geburt, sondern wesentlich durch die freie Wahl der Nation; bestätigt von vier zu vier Jahren durch das strenge Sittengericht der würdigsten Männer; auf Lebenszeit im Amte und nicht abhängig von dem Ablauf des Mandats oder von der schwankenden Meinung des Volkes; in sich einig und geschlossen seit der Ausgleichung der Stände; alles in sich schließend was das Volk besaß von politischer Intelligenz und praktischer Staatskunde; unumschränkt verfügend in allen finanziellen Fragen und in der Leitung der auswärtigen Politik; die Exekutive vollkommen beherrschend durch deren kurze Dauer und durch die dem Senat nach der Beseitigung des ständischen Haders dienstbar gewordene tribunizische Interzession, war der römische Senat der edelste Ausdruck der Nation und in Konsequenz und Staatsklugheit, in Einigkeit und Vaterlandsliebe, in Machtfülle und sicherem Mut die erste politische Körperschaft aller Zeiten – auch jetzt noch „eine Versammlung von Königen“, die es verstand mit republikanischer Hingebung despotische Energie zu verbinden. Nie ist ein Staat nach außen fester und würdiger vertreten worden als Rom in seiner guten Zeit durch seinen Senat. In der inneren Verwaltung ist es allerdings nicht zu verkennen, daß die im Senat vorzugsweise vertretene Geld- und Grundaristokratie in den ihre Sonderinteressen betreffenden Angelegenheiten parteiisch verfuhr und daß die Klugheit und die Energie der Körperschaft hier häufig von ihr nicht zum Heil des Staates gebraucht worden sind. Indes der große in schweren Kämpfen festgestellte Grundsatz, daß jeder römische Bürger gleich vor dem Gesetz sei in Rechten und Pflichten, und die daraus sich ergebende Eröffnung der politischen Laufbahn, das heißt des Eintritts in den Senat für jedermann erhielten neben dem Glanz der militärischen und politischen Erfolge die staatliche und nationale Eintracht und nahmen dem Unterschied der Stände jene Erbitterung und Gehässigkeit, die den Kampf der Patrizier und Plebejer bezeichnen; und da die glückliche Wendung der äußeren Politik es mit sich brachte, daß länger als ein Jahrhundert die Reichen Spielraum für sich fanden ohne den Mittelstand unterdrücken zu müssen, so hat das römische Volk in seinem Senat längere Zeit, als es einem Volke verstattet zu sein pflegt, das großartigste aller Menschenwerke durchzuführen vermocht, eine weise und glückliche Selbstregierung…“

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