Die Schillsche Erhebung

„Daß ein so verteilter Widerstand nicht zu der in Zeit und Raum konzentrierten Wirkung großer Schläge geeignet ist, geht aus der Natur der Sache hervor. Seine Wirkung richtet sich, wie in der physischen Natur der Verdampfungsprozeß, nach der Oberfläche. Je größer diese ist und der Kontakt, in welchem sie mit dem feindlichen Heere sich befindet, also je mehr dieses sich ausbreitet, um so größer ist die Wirkung der Volksbewaffnung. Sie zerstört wie eine still fortschwelende Glut die Grundfesten des feindlichen Heeres. Da sie zu ihren Erfolgen Zeit braucht, so entsteht, während beide Elemente so aufeinander wirken, ein Zustand der Spannung, die sich entweder nach und nach löst, wenn der Volkskrieg an einzelnen Stellen erstickt wird und an anderen langsam erlischt, oder die zu einer Krise führt, wenn die Flammen dieses allgemeinen Brandes über das feindliche Heer zusammenschlagen und es nötigen, das Land vor eigenem gänzlichen Untergange zu räumen. Daß diese Krisis durch den bloßen Volkskrieg herbeigeführt werden sollte, setzt entweder eine solche Oberfläche des eingenommenen Reiches voraus, wie außer Rußland kein europäischer Staat sie hat, oder ein Mißverhältnis zwischen der einfallenden Armee und der Oberfläche des Landes, wie es in der Wirklichkeit nicht vorkommt. Will man also kein Phantom verfolgen, so muß man sich den Volkskrieg in Verbindung mit dem Kriege eines stehenden Heeres denken und beide durch einen das Ganze umfassenden Plan geeinigt.“ (Carl von Clausewitz)

Wir sehen also wie schwer es ist die Schilderhebung unseres Majors Ferdinand von Schills gegen Napoleon zu beurteilen. Denn es kann durchaus sein, daß unser Major von Schill sein Unternehmen auf höhere Weisung ausgeführt hat, wie er selbst immer gesagt hat. Hätte er bedeutende Erfolge errungen, so hätte also durchaus unser preußisches Heer Anno 1809 in Erscheinung treten können. Daß Aufgrund des Mißlingens und der Fehlschläge der Österreicher im Süden die preußische Regierung jede Verbindung mit unserem Major von Schill bestritt, ist dagegen kein Einwand. Alles andere wäre ja auch selbstmörderisch gewesen. Zu Beginn errang unser Major von Schill mit seinen Husaren einige schöne Anfangserfolge in Westphalen über bedeutend überlegene gallische und rheinbündische Truppen, aber der Zulauf war zu gering, um im Feld eine Streitmacht zu erschaffen, welche den Truppen Napoleons wirklich die Spitze bieten konnte. Die Folge war der Rückzug aus Westphalen nach Pommern und auf Stralsund. Unsere alte Hansestadt – die weiland selbst Wallenstein getrotzt hatte – wollte unser Major von Schill zu seiner Festung ausbauen. Seine Truppen waren aber zu schwach, um diese zu behaupten. Die Welschen drangen in die Stadt ein und unser Major von Schill fand im Häuserkampf den Heldentod. Weniger glücklich war das Los seiner Getreuen. Elf seiner Offiziere wurden zu Wesel öffentlich ermordet und 500 seiner Soldaten auf die Galeeren verschleppt. Während unsere Mecklenburger bei Damgarten wenig Lust haben gegen unseren Schill zu fechten, bekommen die polnischen Hilfstruppen Napoleons von unserem Helden eine tüchtige Abreibung verabreicht – wie wir in unserem Geschichtsbuch „Schills Zug nach Stralsund und sein Ende“ erfahren: http://www.epoche-napoleon.net/werk/a/anonym/flugschriften/schills-zug/i-teil.html

„Den 24sten. Die Bestimmung hinsichtlich der Verproviantierung der Schiffe ging nicht so schnell von statten, (da keine mit englischen Pässen versehene genommen werden sollten), als wir erwartet hatten. Gegend Abend begab ich mich auf die Rhede, bestieg ein Schiff, einen schönen großen Dreimaster, der schon in Ostindien gewesen, und traf, weil die dänischen Kaper diese Gewässer beherrschten, alle möglichen Verteidigungsanstalten. Ich fand sechs kleine Kanonen vor, zu denen ich aus Flintenkugeln Kartätschen machen ließ. Unter der Besatzung befanden sich zufälliger Weise kaiserlich französische Artilleristen, denen ich die Bedienung übertrug. Als nunmehriger Admiral verabredete ich alle nötigen Signale, und als der bis jetzt uns entgegenwehende Wind zu meiner großen Freude umschlug, so stach ich mit meiner Flottille von sieben Schiffen in See. Den 29sten. Nach einer glücklichen Fahrt von einigen Tagen, nachdem ich bei Warnemünde Befehl erhalten, in Stralsund einzulaufen, landete ich bei der Halbinsel Jasmund, von wo ich Boote herbeischaffen und sie alle, weil es für große Schiffe zu seicht war, nach den vier Meilen entfernten Stralsund bringen ließ, wo ich sogleich an das Land stieß. Ich eilte zu dem fernern Verlauf der Operationen des Majors Schill, der, wie ich schon früher erwähnt, den 23sten Mai Wismar verließ, in größter Geschwindigkeit Rostock erreichte und durch Kapitulation einnahm. Da ein früherer Teil der mecklenburgischen Garde einen Sturm abzuwarten nicht willens war, so erhielt derselbe freien Abzug nach Schwerin, unter der Bedingung, ein Jahr lang die Waffen weder gegen Schill, noch gegen seine Alliierten, Österreich und England, zu führen. Zugleich nahm er hier alle seine Detaschements wieder auf, ließ die Garnison von Dömitz einschiffen und kam ohne Widerstand gegen Damgarten, den einzigen Übergang über die schwer zu passierende Riebnik, wo der General Candras, Gouverneur von Schwedisch-Pommern, der uns in größter Eile mit 2000 Mecklenburgern, 300 Mann polnischer Kavallerie und zwölf Kanonen entgegengegangen war, eine feste Position gewonnen und versichert hatte: Damgarten solle ein zweites Thermpylä werden. Doch nur zu bald war er anderes Sinnes geworden; denn statt jener feigen unzählbaren Perser stand er nur ein kleines, aber von wahrhaftem Heroismus beseeltes Häuflein, von welchem selbst die neue Infanterie den schönsten Beweis hier ablegte. Denn während Schill Damgarten von vorn angriff, mußte der größte Teil der Kavallerie über die Riednik schwimmen; auch die Infanterie erhielt Befehl überzugehen, um den Feind in die Seite zu nehmen; alle Schiffe waren, wie leicht vorherzusehen, weggenommen worden und nur ein einziges aus Vorsicht mitgenommenes Boot, das uns auf Wagen nachgebracht wurde, herbeigeschafft. Sogleich sprangen so viel Infanteristen, als das Boot fassen konnte, hinein, und trotz der Erklärung der Schiffer, das Boot werde, weil es zu sehr beladen untergehen, wollte Niemand heraus; sondern Alles rief einstimmig: „Geht das Boot unter: wohlan! Sterben müssen wir doch! Vorwärts!“ Sie kamen trotz dem jenseitigen Feuer glücklich hinüber, faßten so lange Posto, bis ihre Kameraden den Fluß auch passierten, und so von allen Seiten angegriffen, streckten die Mecklenburger das Gewehr, indem nur der Pseudo-Leonidas mit einigen polnischen Lanzenreitern entkam. 47 Offiziere, vier Fahnen, zwölf Kanonen und 2000 Gefangene, die aber entlassen wurden, waren die Früchte dieses vierstündigen, jedoch nicht sehr mörderischen Gefechts. Zugleich bot die hiernächst angestellte allgemeine Toilette einen höchst sonderbaren Anblick dar; denn unsere Infanterie, die, ohne alle Uniform, größtenteils ziemlich lustig gekleidet war, hüllte sich auf dem Kampfplatz in die sehr schöne Montierung der Überwundenen, indem sie ihnen ihre bisherigen Bedeckungen dagegen reichten. Eingedenk, wie oft Schnelligkeit und rasche Benutzung eines erhaltenen Vorteils die schönsten Früchte hervorbringt, brach Schill sogleich nach der Affäre an der Spitze einer Eskadron Ulanen, einer Abteilung Husaren und reitender Jäger, ungefähr 300 Mann, sogleich auf, kam vor Stralsund an und forderte es auf, sich zu ergeben. Die aus einer Compagnie französischer Artillerie bestehende Besatzung versprach, auf dem Markte das Gewehr zu strecken; da sie aber wahrscheinlich später von der schwachen Zahl der Kommenden benachrichtigt, empfingen sie die arglos Einmarschierenden in einer engen Gasse mit den Kartätschenfeuer von sechs vor dem Arsenal aufgefahrenen Kanonen. Natürlich entstand die größte Verwirrung; eine sogleich unternommene Attacke verunglückte und verursachte einige Unschlüssigkeit. In diesem kritischen Augenblick führte Schill Alles auf einen freien Platz zurück, stellte die Ordnung wieder her und rief: „Kameraden! wir haben hier einen Schimpf- und einen Treubruch erfahren, den wir rächen müssen. Infanterie haben wir nicht, also herab vom Pferde, folgt mir!“ Der Ruf des geliebten Führers wurde willig befolgt, mit dem Säbel in der Faust die sechs Kanonen genommen und die Besatzung größtenteils niedergemacht…“

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